: Ganz langer Samstag
Ab Montag dürfen Läden noch länger öffnen. Noch ist aber völlig unklar, ob der Einzelhandel das lange Wochenende umsetzen kann und will
von KAI VON APPEN
Das Geschrei der Liberalisierer war groß: Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei antiquiert und in Gefahr. Es fehle am Konsum, flexiblere und längere Ladenöffnungszeiten würden gebraucht – am besten sogar wie in den USA rund um die Uhr. Nach der Ladenöffnung bis 20 Uhr wochentags ist nun nach dem rot-grünen Gesetz ab 1. Juni das Shoppen auch samstags bis 20 Uhr möglich. Doch nun wollen viele gar nicht mehr, da sich aus Sicht vieler Händler längere Öffnungszeiten gar nicht lohnen, sondern eher mehr Geld kosten. Und speziell im Sommer konkurriert das Sitzen im Café mit dem Wochenend-Shopping. Auch in Hamburg ist der Handel zurückhaltend.
Selbst in der City ist unklar, wer tatsächlich ab dem kommenden Samstag seine Pforten bis 20 Uhr offen lässt. Das Gros der kleinen Boutiquen und Klamotten-Shops winkt bereits ab. Und selbst die großen Kaufhäuser zögern noch, weil sie über die Arbeitszeiten noch keine Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen präsentieren wollen.
Schon jetzt machen viele Einzelhändler in der Innenstadt bei den bisherigen normalen gesetzlichen Öffnungzeiten nicht mit. Selbst Teenie-Läden wie das „Jeans-Projekt“ an zentraler Stelle am Ida-Ehre-Platz schließen um 19 Uhr: Gegenüber am Mönckebergbrunnen bei den Schnäppchen-Klamotten beginnt das Leben auch erst um 10 Uhr verspätet. Ebenso wie in Schuhläden-Läden und Boutiquen in der gesamten Spitalerstraße.
Dabei hat die Gewerkschaft ver.di grundsätzlich – wenn auch zähneknirschend – ihren Widerstand gegen den langen Samstag aufgegeben, versucht nun das Beste daraus zu machen und „Zeitwohlstand“ für die Beschäftigten zu schaffen. Die Devise: Ein Arbeiten an vier Samstagen pro Monat bis 16 Uhr muss nicht unbedingt für Familie und Privatsphäre besser sein, als bis 20 Uhr anwesend zu sein, wenn VerkäuferInnen im Einzelhandel dafür dann an drei Samstagen pro Monat gänzlich frei haben.
Doch an dieses Thema wollen die Einzelhändler in Hamburg nicht heran. Stattdessen setzte der bekannte mediale Reigen ein: Die Yuppiefrau wird in Hamburger Zeitungen zitiert, die ihr teures Kostüm und ihre schicken Pumps wegen ihrer langen Anfahrtszeit aus dem Umland nach Hamburg vermeintlich erst nur um kurz vor acht kaufen könne und die Studentin, die sich an ihre Stipendiumszeit in den USA erinnert, als sie noch nachts um halb eins eine Flasche Sekt aus dem Shop holen konnte.
„Es gibt keine Angebote, obwohl wir mit den Arbeitgebern bereits seit Februar verhandeln“, macht ver.di-Verhandlungsführer Ulrich Meinecke klar. Gerade auch, wenn es um Planbarkeit der Arbeit geht, blockierten die Einzelhändler: „Der Arbeitgeberverband ist gut beraten, Lösungen zu suchen, die den Einzelhandel auch in Zukunft als Arbeitsplatz attraktiv machen und das Image der Branchen heben.“ ver.di setzt sich vor allem dafür ein, trotz längerer Öffnungszeiten den Beruf der Kassiererin und des Verkäufers fürs Privatleben „attraktiv zu halten“. Meinecke: „Dazu zählt aber auch, dass man weiß, wann und wo man zu arbeiten hat. Und dies nicht erst am Freitagmorgen erfährt.“
Heute finden in Baden Württemberg und Bayern hierzu Tarifverhandlungen statt.
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