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„Mein Wortschatz ist klein“

Françoise Cactus, Frontfrau von Stereo Total, hat mit „Neurosen zum Valentinstag“ ihr viertes Buch geschrieben. Ein Gespräch über Aberglauben und Einsamkeit, Deadlines und komische Instrumente

INTERVIEW JANIS VOSS

taz: Fast alle Ihre Geschichten sind aus der Ich-Perspektive erzählt. Wie viel „Ich“ steckt wirklich in Ihren Charakteren?

Françoise Cactus: Manche Charakterzüge von mir findet man in den Geschichten wieder, zum Beispiel in dieser schrecklich schrulligen Gouvernante, die total abergläubig ist. Ich bin auch abergläubig: Niemals unter einer Leiter durchlaufen, manche Zahlen sind gut, manche Zahlen sind schlecht, niemals einen Regenschirm in einem Raum aufmachen, niemals ein Baguette falsch herum hinlegen. Dann gibt es noch andere Gemeinsamkeiten: etwa die Geschichte „Burgundische Hochzeit“. Es ist mir wirklich einmal die Fantasie durch den Kopf gegangen, einen Bauern zu heiraten. Mal etwas ganz anderes machen, morgens früh aufstehen, die Hühner füttern, die Kühe melken und dann aufs Feld. Ich stelle mir das ganz toll vor, aber nur für ein paar Minuten. Ich hätte es natürlich nie so weit getrieben, und deswegen habe ich diese Geschichte geschrieben.

Gibt es Geschichten, die Sie nicht veröffentlichen würden, weil sie zu viel ausplaudern?

Ich veröffentliche Geschichten nur dann nicht, wenn sie scheiße geschrieben sind. In meinem ersten Buch „Autobigophonie“ habe ich viele intime Sachen über meine Familie erzählt. Ich habe den Vorteil gegenüber vielen deutschen Schriftstellern, dass ich meine Familie ins Lächerliche ziehen kann, denn sie werden es nicht lesen können. Ich habe in meinem ersten Buch ganz viele verrückte Geschichten über sie erzählt, die ich auf Französisch sicher nicht erzählt hätte. Wenn das Buch einmal übersetzt wird, habe ich allerdings ein Problem.

Ist es für Sie mühsam, auf Deutsch zu schreiben?

Ich schreibe Lieder, Geschichten und manchmal auch ein ganzes Buch auf Deutsch und es macht mir mehr Spaß als auf Französisch. Seltsamerweise gefällt mir mein Stil im Deutschen besser, und zwar grade dadurch, dass mein Wortschatz so reduziert ist.

Ihre Geschichten spielen in zwei Welten: Auf der einen Seite steht der städtische Hedonismus und die damit verbundene Einsamkeit und andererseits das traditionelle dörfliche Leben.

Ich komme aus dem Burgund und habe bis zu meinem 13. Lebensjahr in einem Kuhkaff gelebt, was mich total angekotzt hat. Inzwischen habe ich aber genug Distanz, das Leben dort zu beschreiben. Ich bin eigentlich nicht einsam. Ich wohne mit meinem Freund zusammen und habe auch sonst viele Freunde. Aber ich finde es sehr furchtbar, dass viele Menschen sehr oft einsam sind und nur noch virtuelle Freundschaften haben. Der gemeinsame Nenner meiner Geschichten sind die Neurosen. Frauen, die ein bisschen crazy sind, die sich in extremen Situationen befinden. Ich habe oft Personen dargestellt, die allein sind und dadurch Schrullen entwickelt haben. Ich habe einige Freundinnen, die immer allein zu Hause essen, und wenn ich mit ihnen ins Restaurant gehe, merke ich, dass sie ganz seltsam essen: ganz schnell. Und sie reden nicht zwischendurch oder kauen nicht lange. Ich glaube, wenn man oft allein ist, entwickelt man komische Macken, und das wollte ich darstellen.

Sind Sie schnell von etwas gelangweilt?

Ja! Deswegen war ich auch froh, dass ich Kurzgeschichten schreiben konnte. Ich finde es furchtbar schwer, ein ganzes Buch zu schreiben, ohne mich dabei irgendwann zu langweilen.

Ihre Geschichten gehören verschiedenen Genres an: Es gibt ein Drehbuch, ein Monolog, eine Gespenstergeschichte. Dieses Mixen von verschiedenen Stilen findet man auch in Ihrer Musik wieder. Da trifft Punk auf Elektronik und französische Chansons.

Ja, irgendwie. Ich bediene mich gerne bei verschiedenen Stilen und werfe die dann in meinen Küchenroboter, so dass am Ende meine persönliche Soße dabei rauskommt. Ich hätte auch keine Lust, immer nur Balladen zu singen, genauso will ich auch nicht immer nur Gedichte schreiben. Es macht mir viel Spaß, Neues auszuprobieren.

Sie schreiben, machen Musik, aber Sie malen auch.

Momentan unternehme ich wirklich eine ganze Menge: Kaum war ich fertig mit dem Buch, musste ich anfangen, meine neue Platte aufzunehmen. Und kaum bin ich mit der Platte fertig, muss ich anfangen, für meine Ausstellung zu malen. Manchmal ist es wirklich viel, besonders, weil ich mich immer vor der Arbeit drücke. Ich habe Angst, anzufangen, und dann plötzlich, wenn es heißt, „wenn du jetzt nicht schreibst, wird das Buch nicht erscheinen“, dann mache ich nichts anderes mehr. In der Musik ist das auch so, manchmal habe ich die Texte erst in der Nacht vor der Aufnahme geschrieben.

Wann kommt Ihr neues Album raus?

Leider nicht vor dem Herbst. Wir sind fertig mit den Aufnahmen, aber es dauert noch mindestens sechs Monate, bis es erscheinen kann. Es ist sehr gut geworden, aber ganz anders als unsere alten Platten. Die Musik ist wirklich verrückt. Ich habe mehrere Instrumente gespielt. Zum Beispiel ein russisches Instrument, das man spielt ohne es anzufassen. Es sieht aus wie ein Brett mit einer Antenne und erzeugt Klangwellen in der Luft. Man hält die Hand über die Antenne und kann so den Klang verändern. Es ist das verrückteste Instrument, das es gibt. Ich werde es nie auf der Bühne spielen, denn es sieht total hippiemäßig aus.

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