: 106 Staaten foltern
Amnesty-Jahresbericht: Terrorismusbekämpfung dient der Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen
BERLIN taz ■ Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) hat in ihrem Jahresbericht 2003 vor einem Missbrauch des Antiterrorkampfes für staatliche Repression gewarnt. Terrorismusbekämpfung diene in vielen Ländern als Vorwand, um im Namen der Sicherheit Einschränkungen von Menschenrechten durch Regierungen vorzunehmen, sagte Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion, bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch in Berlin.
„Es ist an der Zeit, zu hinterfragen, für wen ist dieses Maß an Sicherheit gedacht und wer definiert, was Sicherheit bedeutet“, so Lochbihler. Mit der Diskussion um Folter von Terrorismusverdächtigen sei nach dem 11. September auch in Deutschland ein Tabu gebrochen worden.
Besonders Besorgnis erregend sei die Menschenrechtslage derzeit in Indien. Im vergangenen Jahr wurden dort Antiterrorismusgesetze verabschiedet, die der Polizei erlauben, Verdächtige bis zu sechs Monaten ohne Anklage zu inhaftieren und durch Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht zu verwenden.
Insgesamt registrierte ai 2002 Menschenrechtsverstöße in 151 Ländern. In 106 Staaten sind dem Bericht zufolge Menschen gefoltert oder misshandelt worden. In 31 Ländern wurden 1.500 Menschen hingerichtet, in 42 Ländern kam es zu staatlichen Morden. Auf die Frage, ob sich die Menschenrechtslage weltweit verbessert oder verschlechtert habe, könne man allerdings keine pauschale Antwort geben, so Lochbihler.
Als institutionellen Fortschritt wertet ai, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) seine Arbeit aufgenommen hat. Scharfe Kritik übt ai aber an den Bestrebungen der USA, die Arbeit des IStGH auszuhöhlen: Dies geschieht durch mit den Vereinigten Staaten abgeschlossene bilaterale Verträge, durch die Straffreiheit vor dem IStGH für US-Bürger erreicht werden soll. Bisher unterzeichneten 35 Staaten diese so genannten Nichtauslieferungsverträge. SONJA WERDERMANN
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