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WESTEUROPÄER KANN DER KREML TÄUSCHEN. OSTEUROPÄER NICHTPotemkin in Tschetschenien

Fürst Potemkin steht in Russland zurzeit wieder hoch im Kurs. In Sankt Petersburg verschwindet die unansehnliche Realität hinter frisch gestrichenen Holzzäunen. Und in Tschetschenien scheint der Exgouverneur der Südprovinzen und Generalfeldmarschall nun höchstpersönlich die Feder zu führen: Wer sonst könnte einen blutigen Krieg geschickter als tragbaren Frieden verkaufen?

Zwar versinkt Europa nicht wie einst Katharina II. in Wollust vor den Täuschungskünsten ihres Untergebenen. Aber ein gehöriges Maß an Bereitschaft, sich von dem Profi im Kreml hinters Licht führen zu lassen, ist unbestreitbar. Erstaunlich: Wenn es gilt, die russischen Wünsche nach einem visafreien Verkehr mit der EU abzuschmettern, fallen diplomatische Vorsichten nicht ins Gewicht. Hätte das zivilisiertere Europa doch nur einmal so viel Mut im Umgang mit Tschetschenien bewiesen. Denn dort rückt der Frieden in immer weitere Ferne. Hinter den Fassaden der vom Zentrum inszenierten Realität mit Scheinabstimmungen über Verfassung und Status der Republik wächst die Privatisierung der Gewalt nach afrikanischem Muster. Der Krieg ist inzwischen Grundlage allen Seins. Sporadische Versuche Moskaus, in die Region hineinzuregieren, – selbst wenn aufrichtig gemeint – sind zum Scheitern verurteilt, da die russischen Streitkräfte nur ihren eigenen materiellen Interessen folgen und längst selber eines der kriminellen Subsysteme darstellen.

Ähnlich steht es um die vom Kreml eingesetzte Marionettenregierung Achmed Kadyrows, in der immer mehr Leute auf verantwortliche Posten gelangen, die sich in der Unabhängigkeitsphase Tschetscheniens ab 1997 Kapitalverbrechen wie Menschenhandel und Mord haben zuschulden kommen lassen. Angeblich ist die russische Armee 1999 ihretwegen eingerückt. Wie sollen diese Elemente heute den Tschetschenen den Weg zu Recht und Ordnung im russischen Staatsverband weisen? Nichts als Heuchelei, die bei den Bürgern der Kaukasusrepublik natürlich nicht verfängt. Ansätze einer Normalisierung sind daher von vornherein auf Sand gebaut. Sie dienen auch weniger den Tschetschenen als zur Beruhigung der gelegentlich über den Zaun schauenden Kern-Europäer.

Daran könnte sich etwas ändern, wenn die neuen ost- und mitteleuropäischen EU-Kandidaten dem Club angehören. Für sie war Russisch mehr als nur die erste Fremdsprache. In Erfahrung und Sensibilität stehen die Exsatelliten den Tschetschenen einfach näher als die EU-Europäer. Potemkin ist für sie keine Autorität. Und Respekt vor dem Kreml kein Muss. KLAUS-HELGE DONATH

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