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Häme und Hoffnung

Oppositionelle FDPler in den Nord-Ländern können derzeit nur auf Neuwahlen hoffen. Während die Hamburger Liberalen noch heftig ihre Wunden lecken, können die Parteifreunde aus Schleswig-Holstein vor lauter Kraft kaum gehen

„Noch 319 Tage bis zur Wahl“, weiß die Homepage der Kieler FDP: „Alles wird gut“

HAMBURG/BREMEN/KIEL taz ■ Liberal und in der Opposition – geht das gut? Während der FDP auf Bundesebene derzeit nicht gerade Rückenwind nachgesagt wird, kann sie in den Nord-Ländern nur auf neue Wahlen hoffen. Komplett verstummt sind die Liberalen derzeit in Hamburg. Bei der Bürgerschaftswahl vor sechs Wochen flog die FDP mit nur noch 2,8 Prozent aus Senat und Landesparlament – und niemand vermisst sie.

Bürgermeister Ole von Beust und seine CDU nicht, die die Liberalen 2001 noch als Mehrheitsbeschaffer benötigten – und schon gar nicht die Opposition aus SPD und GAL, welche die Freidemokraten jahrelang als „Selbstzweckpartei“ verhöhnten. Und dies zu Recht, denn die sechsköpfige Bürgerschaftsfraktion aus Anwälten und Zahnärzten war mit ihren ständigen Tiraden über Dosenpfand und Marktwirtschaft vielen nur noch lästig erschienen. Völlig von der Bildschwäche verschwunden ist der Admiral a.D., der vom Hoffnungsträger zum Totengräber wurde. Rudolf Lange hatte die FDP 2001 mit 5,1 Prozent nach zehnjähriger Abstinenz wieder in die Bürgerschaft geführt und sogleich dahin, wo die FDP sich eh am wohlsten fühlt: auf die Regierungsbank. Binnen zwei Jahren stürzte der beratungsresistente Ex-Militär als Bildungssenator mit seinem „nachfrageorientierten“ Kita-System Hamburgs Kindergärten ins völlige Chaos und brachte die gesamte Lehrerschaft mit einem frisch erdachten Mehrarbeitsmodell auf die Palme. Der seit Ende Januar amtierende neue Landesvorsitzende Leif Schrader hat noch mit keiner Silbe erläutert, wie er sich die Zukunft seiner Partei vorstellt. Und gefragt hat ihn mangels Interesse auch niemand.

Ähnlich desolat sieht es für die Liberalen in Bremen aus. Seitdem sie 1995 die Ampel-Koalition wegen des Streits um Naturschutzgebiete ( „Piepmatz“-Affäre) verließ, hat die FDP im kleinsten Bundesland eigentlich niemand vermisst. Schon vorher hatte sie sich eigentlich immer nur als „Ersatz“-CDU zu profilieren versucht und nicht als moderne, ökologisch aufgeschlossene liberale Partei. Außerdem gibt es ein krasses Personalproblem: Auch bei den Bürgerschaftswahlen im Mai 2003 trat sie mit dem alten Spitzenkandidaten Claus Jäger, dem Verlierer von 1995, an – und scheiterte.

In der Bürgerschaft vertreten ist die Partei nur durch eine bremische Besonderheit. In Bremerhaven übersprang die FDP die 5-Prozent-Klausel. Seitdem ist sie mit einem Abgeordneten im Landesparlament vertreten. Und gar nicht so schlecht. Der Parlamentarier Willy Wedler hat sich durch seine kompetente Kritik bereits einen Namen gemacht. Vor allem aber ist er nie der Versuchung erlegen, sich als Anhängsel der CDU aufzuführen.

Dieser Gefahr erliegen gerade die Liberalen im hohen Norden. Die Schleswig-Holstein-FDP um den Vorzeige-Liberalen Wolfgang Kubicki kommt derzeit zwar im Landtag nicht gegen die rot-grüne Mehrheit an – dafür aber hofft die Kubicki-FDP auf die Landtagswahl im Februar 2005. Wer eine Ahnung vom Optimismus der Kieler Liberalen bekommen will, werfe am besten einen Blick auf ihre Internetseite: „Noch 319 Tage bis zur Wahl. Durchhalten. Alles wird gut“, steht da, und der Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Albrecht, spielt dazu den Hans Dampf in allen Gassen. Mit einer Forsa-Umfrage vom Februar im Rücken, die den Liberalen acht Prozent zutraut, sagt Albrecht: „Wenn jemand in Schleswig-Holstein Ministerpräsident werden will, braucht er dazu uns“.

Oder auch nicht, denn Albrecht meint auch, dass der FDP-Spitzenkandidat Kubicki „von der Bekanntheit her Ministerpräsident werden könnte“. Realistischer betrachtet aber sehen die Liberalen die CDU als Koalitionspartner nach der nächsten Wahl. Fragt sich nur, welches Kräfteverhältnis dann herrscht. Laut Albrecht ist für die FDP sogar ein „zweistelliges Wahlergebnis durchaus möglich“. Auch wenn sich die Bundes-FDP von 18 Prozent-Utopien verabschiedet hat – die Nord-Liberalen hoffen weiter. SMV/KAWE/TIM

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