: Überfall mit einer Pfeffermühle
Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Don Camillo in Berlin-Charlottenburg ist eigen, gut – und etwas anstrengend
Wenn ein Restauran Don Camillo heißt, kann es so gut wie alles sein. Eine Pizzabude, ein Familienitaliener, edel oder einfach nur ein langweiliges Pastarestaurant. Auf jeden Fall stammt das Lokal aus einer Zeit, in der die Menschen in Berlin noch keine große Ahnung vom italienischen Leben hatten und der Freund von Peppone etwas Nähe vermittelte.
Auf den ersten Blick wirkt das Don Camillo an der Schloßstraße in Charlottenburg wie die langweilige Option. Nichts ist wirklich schön in diesem Ecklokal. Der Teppich nicht, die Tische nicht, die überladene dunkle Holzbar auch nicht. Gäbe es nicht eine enthusiastische Empfehlung, man wäre sofort wieder draußen. In diesem spießigen Ambiente nämlich fühlt man sich hier mit Anfang dreißig schon wie fünfzig.
Besser wird der Eindruck auch nicht dadurch, dass es keine Speisekarte gibt. Stattdessen fahren die Kellner ein Wägelchen durch die Gegend, auf der Fleisch und Gemüse liegen. Das Prinzip ist ja löblich, so sieht man nämlich vor der Bestellung, was man hinterher bekommt. Doch gleichzeitig strengt diese Art der Präsentation an. Vor allem, wenn man nach einem harten Tag am Ende der Erläuterung, was wie zubereitet werden kann, schon den Anfang vergessen hat.
Nach schönem italienischen Prinzip übrigens wird erst die Vorspeise bestellt und gegessen. Der Gast sollte sich aber darauf einrichten, überfallen und bedroht zu werden, und zwar mit einer fast mannshohen Pfeffermühle. Wer keinen Pfeffer mag, muss unangenehm laut werden, um das Schlimmste zu verhindern. Ist das Übel aber erst mal abgewendet, versteht man plötzlich auch, weshalb dieses biedere Lokal relativ gut besetzt ist. Das Vitello Tonnato ist fein und geschmeidig, die gebratenen Shitake-Pilze mit Seegras und Knoblauch eine gelungene Auflockerung dessen, was wir unter „italienisch“ verstehen. Als der Kellner mit dem zweiten Wagen anrückt, fühlt man sich zwar noch immer wie fünfzig, aber ganz zufrieden. Ich hätte nur noch immer gern eine Karte und sehe keinen Unterhaltungswert darin, dass mir unter Frischhaltefolie gequetschte Innereien unter die Nase gehalten werden. Die Wahl fiel sowieso auf ein hervorragendes in Pancetta gewickeltes Rinderfilet, das in Zitronensaft und Olivenöl geschwenkt wurde. Auch der gebratene Wolfsbarsch gefällt und die Crème brulée erst recht.
Ein Restaurant, das Don Camillo heißt, das kann tatsächlich alles sein. Doch wie schön, dass dieses hier eben nicht beliebig ist, sondern eigen und gut. Wenn auch etwas anstrengend.
DON CAMILLO, Schloßstr. 7–8, 14059 Berlin, (0 30) 3 22 35 72, www.don-camillo-berlin.de, U-Bahn Sophie-Charlotte-Platz. Wasser 0,75 l: 5,50 €. Preis pro Person mit Vor-, Haupt- und Nachspeise sowie Wein: um die 60 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen