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Eingriffe zu Lasten der Grünen

NRW-SPD legt Positionspapier im Koalitionsstreit vor. Von Autobahnen bis Steinkohle: Arbeitsplätze wichtiger als Naturschutz. Grüne MinisterInnen Höhn und Vesper spielen Forderungskatalog herunter, grüne Parteichefs nennen Situation „sehr ernst“

aus Köln PASCAL BEUCKER

Selten in den vergangenen Tagen zeigten sich die grünen NRW-MinisterInnen Michael Vesper und Bärbel Höhn so gut gelaunt wie gestern im Düsseldorfer Landtag. War es Galgenhumor, der sie von einem Bonmot zum anderen springen ließ? Jedenfalls reagierten sie auf die neue Positionsbestimmung der SPD im Koalitionsstreit betont gelassen.

Das SPD-Papier, das Ministerpräsident Peer Steinbrück, Landesparteichef Harald Schartau und Fraktionschef Edgar Moron kurz zuvor vorgestellt hatten, sei „kein Papier aus der Folterkammer, sondern eins aus der Rumpelkammer“, lästerte Vesper. Und Höhn kalauerte: „Nach zwei Wochen hat sich nun der Nebel gelichtet und zu sehen sind Spiegelstriche“ – ein vernichtendes Urteil für einen Text, der den hochtrabenden Titel „Bündnis für Erneuerung. Aufbruch für NRW“ trägt und Grundlage des am Freitag tagenden rot-grünen Koalitionsausschusses sein soll.

Nach den Vorstellungen der SPD soll sich das Regierungshandeln künftig auf vier Schwerpunkte konzentrieren: Arbeit, Bildung, Mobilität und innere Sicherheit. Zwar blieben die Wertvorstellungen, die Sozialdemokraten und Grüne in die Koalition eingebracht hätten, weiterhin richtig, müssten aber aufgrund der krisenhaften Situation des Land „überprüft und neu ausgerichtet werden“. Dazu sei es auch nötig, dass der Koalitionsvertrag „neu justiert“ werde. Alles müsse getan werden, um Arbeit zu schaffen. So dürften naturschutzrechtliche Bestimmungen nicht länger Investitionsprojekte „verhindern oder über Gebühr verzögern“. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Eingriffe zu Lasten der Natur sind in solchen Fällen unvermeidlich.“

„Wir müssen den Menschen sagen, was künftig nicht mehr möglich sein wird“, verkünden die Sozialdemokraten. Auf eine Fortsetzung der Steinkohlesubventionierung soll allerdings nicht verzichtet werden: „Wir sind gegen einen Auslauf-Bergbau und setzen uns für einen lebensfähigen Bergbau auch über 2010 hinaus ein.“ Außerdem verlangt die SPD ausdrücklich einen Ausbau der Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn und Münster/Osnabrück. Zudem soll der Flughafen Essen/Mülheim erhalten bleiben. Weiter auf der Prioritätenliste: die rasche Schließung von Lücken im Autobahnnetz des Landes, der Bau von Ortsumgehungen und ein eindeutiges Bekenntnis zur Magnetschwebebahn Metrorapid. Besonders im Verkehrsbereich sehe er „keinen breiten Verhandlungsspielraum“, sagte SPD-Fraktionschef Moron. „Wenn der Koalitionspartner den Weg mitgeht: gut, wenn nicht – werden wir sehen.“

Ministerpräsident Steinbrück sagte, es handele sich nicht um ein „Scheidungspapier“. Es beschreibe lediglich die Positionen, mit denen die SPD in die Gespräche mit den Grünen gehe. Steinbrück ließ offen, wie groß der Verhandlungsspielraum für seine Partei ist. Falls die Koalition fortgesetzt werde, erwarte er aber „klare Führungsaufgaben“ von den Grünen in ihre Partei hinein. Es könne nicht länger hingenommen werden, dass gegen auf Landesebene vereinbarte Projekte örtliche grüne Kreisverbände Widerstand organisierten.

Die grüne Fraktionschefin Sylvia Löhrmann bezeichnete die Positionen der SPD als „sehr weitschweifig“, sie böten nichts Neues. Auch die grüne Umweltministerin Höhn sagte: „Es ist schade, dass so wenig neue Ideen im SPD-Papier sind.“ Aber selbstverständlich könne man „über alles reden“. Während Höhn betonte, sie glaube weiter an eine Verständigung mit der SPD, erklärten die grünen Landesvorsitzenden Britta Haßelmann und Frithjof Schmidt: „Wir schätzen die Situation in der Koalition als sehr ernst ein.“

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