piwik no script img

Verschwindene Brachen

350 Hektar ungenutztes Land gibt es nach einer Schätzung des Bausenators noch in Bremen. Streit gibt es immer wieder um die Kleinst-Brachen. Dort kämpfen Eltern gegen Hundebesitzer

VON EIKEN BRUHN

Sie sind überall in der Stadt. Manche eingezäunt, manche offen zugänglich, manche so versteckt, dass noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, mehr aus ihnen zu machen. Aus den kleineren einen Spielplatz, aus den größeren einen neuen Stadtteil. 350 Hektar Brachland, also ungenutzte Flächen, gibt es derzeit in Bremen, hat Tom Lecke-Lopatta gezählt. Als er 1990 beim Bausenator anfing, um sich um die Umwandlung solcher brach liegender Flächen zu kümmern, seien es noch dreimal so viel gewesen, erzählt er. Vor allem mit militärischen Anlagen hatte er es anfangs zu tun, eine von ihnen beherbergt heute die private Jacobs University in Grohn, eine andere das Polizeipräsidium in der Vahr.

„Ich bin eigentlich immer noch verblüfft, dass es so gut geklappt hat“, sagt Lecke-Lopatta rückblickend. Damals habe man die Brachen extra in Katalogen geführt und geglaubt, Unternehmen auf die Flächen aufmerksam machen zu müssen. Heute sei das nicht mehr notwendig, die Entwicklung beispielsweise in den alten Hafenanlagen, die jetzt „Überseestadt“ heißen, „dynamischer“, als er sich das je hätte vorstellen können. Dort wird eine im Sommer noch blühende Wiese nach der anderen umgegraben, manchen Biologen, der gerade eine besonders seltene Pflanze entdeckt hatte, mag es schmerzen.

Doch so lange es sich um Sandwüsten wie in der Überseestadt handelt und nicht um Parkanlagen mit alten Bäumen, bleibt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gelassen. Zum einen sei ein solches Gelände nur am Anfang, in seinem „Pionierstadium“, interessant, sagt BUND-Leiter Martin Rode. Die wirklich seltenen Arten seien nämlich vor allem in „Mangellebensräumen“ zu finden. „Irgendwann würde das einfach zu Wald und das ist aus ökologischer Sicht eher langweilig.“

Zum anderen sei der Verlust von Natur in der Stadt das kleinere Übel. „Wenn wir den Neuflächenverbrauch einschränken oder gar beenden wollen, dann müssen wir an die innerstädtischen Brachen ran.“ Rode nennt dies „Innenverdichtung vor Außenverdichtung“. Zumal es mittlerweile wieder einen Bedarf an innerstädtischem Wohnen gebe, weil das Pendeln zwischen dem Reihenhaus auf der grünen Wiese und dem Arbeitsplatz in der Stadt seinen Reiz verloren hätte.

Aber könnte man nicht auch einfach mal eine Wiese sich selbst überlassen, auf dass Kinder auf ihnen Höhlen bauen und sich Juckpulver in den Kragen streuen? Eine schöne Vorstellung, sagt Erika Brodbeck vom Verein SpiellandschaftStadt, der Eltern und Kinder dabei unterstützt, Spielflächen in ihrer Nachbarschaft zu schaffen. Aber: „Kinder machen das nicht mehr“, so ihre Beobachtung. „Man muss das richtig zu einem Spielplatz erklären, nach dem Motto ‚Hier dürft ihr‘.“ So wie auf dem Stadtwerder, wo der BUND die „Kinderwildnis“ geschaffen hat, eine große Wiese mit Hügeln, Senken und Wasser. Ginge es nach Rode, könnte solche naturnahen Spielflächen auch in anderen Stadtteilen entstehen. „Dafür fehlt aber das Geld.“

Ein bisschen Geld gibt es dafür für die kleinen Spielplätze, deren Anlage Brodbeck und ihre MitstreiterInnen der SpiellandschaftStadt organisieren. Flächen dafür gebe es genug, oft reicht ein schmaler Grünstreifen. Das größte Problem, sagt Brodbeck, seien dabei stets die Anwohner. „Bloß keine Veränderung“ sei eine verbreitete Haltung. Und dann gebe es noch die Hundebesitzer, die die Mini-Brachen als Toiletten für ihre Tiere nutzen. „Mit denen gibt es immer Stress.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen