: Liberales Klima des Misstrauens
Schlecht aufgestellt geht die FDP in die Wahlen: Der Parteivorsitzende Andreas Pinkwart setzt auf Fraktionschef Ingo Wolf – dabei herrscht unter den Abgeordneten ein „Klima des Misstrauens“
AUS DÜSSELDORF ANDREAS WYPUTTA
Seinen Teil des Deals will Andreas Pinkwart erfüllen: Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen FDP wird dem Parteivorstand heute Landtagsfraktionschef Ingo Wolf als Spitzenkandidat für die 2005 anstehenden Landtagswahlen empfehlen. Gewählt werden soll Wolf zwar erst im November, doch bereits auf dem Landesparteitag kommenden Samstag will Pinkwart den Delegierten ein „klares Personaltableau“ präsentieren können, so ein Mitarbeiter des Hochschullehrers zur taz.
Pinkwart hofft mit einem deutlichen Bekenntnis zur Tandem-Lösung, die von beiden nach der Möllemann-Affäre erkämpft wurde, auch auf ein gutes Wahlergebnis für sich selbst – am 24. steht die Wahl des Landesvorstands an. Bitter nötig wäre ein solches Signal – schlecht aufgestellt steuert die FDP in die Kommunal, Europa- und Landtagswahlen. Immer wieder in der Kritik: Ausgerechnet Fraktionschef Ingo Wolf.
Auch knapp zwei Jahre nach dem Tod seines Vorgängers hat es der 49-jährige nicht geschafft, seine Fraktion hinter sich zu bringen. Bestes Beispiel: die so genannte „Fluppen-Affäre“. Der steuerfinanzierte Zigarettenschmuggel des liberalen Landtagsabgeordneten Friedrich Wilke während einer Informationsreise an die EU-Außengrenze nach Polen – immerhin unter der Leitung Wolfs und mit tätiger Mithilfe von weiteren Mandatsträgern – ist in der Fraktion kein Thema: Unter den liberalen Abgeordneten herrsche ein „immer stärker werdendes Klima des Misstrauens“, klagt ein Fraktionsmitglied. „Kommunikation findet nicht mehr statt.“
Jedenfalls nicht untereinander: In Medienberichten ist die Verbitterung der unterlegenen Möllemann-Vertrauten noch immer deutlich zu spüren. So mahnte Co-Schmuggler Horst Engel gegenüber der Rheinischen Post den Schutz der „so genannten Führung“ an – der ehemalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Hardliner behauptete, als Nichtraucher Wilke die Zigaretten abgekauft zu haben. Mittlerweile ist Engel auf Tauchstation, kommentiert die Affäre „in keiner Form“.
Schwierig bleibt auch die Finanzierung der anstehenden Wahlkämpfe. Zwar kassiert der designierte Spitzenkandidat Wolf monatlich rund 19.000 Euro aus Steuermitteln mehr als der Bundespräsident: Die zwei Landtagsdiäten, die steuerfreie Aufwandsentschädigung, die Pension als Ex-Kreisdirektor in Euskirchen und die Bezüge als Vorsitzender der Kreistagsfraktion summieren sich. Wegen des Spendenskandals Möllemanns aber drohen dem nordrhein-westfälischen FDP-Landesverband Strafzahlungen – die notorisch optimistischen Liberalen rechnen mit mindestens 1,4 Millionen Euro, die an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zu zahlen sind. Doch die Strafe könnte sich leicht verdoppeln, die rund sieben Prozent, bei denen die FDP derzeit nach einer vom WDR-Magazin Westpol in Auftrag gegebenen Studie dümpeln, drohen wegen fehlender Werbung dahinschmelzen: Nach neuesten Erkenntnissen der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat Möllemann mindestens zwei Millionen aus dubiosen Quellen in die Parteikassen geschleust.
An Thierse müssten dann vier Millionen Euro gezahlt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen