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80 Zeilen KulturhauptstadtDorothee Starke: Unberechenbares Grautier

Bremen will den Titel: Seit einem Jahr betreut Martin Heller die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010. Zeit für eine Zwischenbilanz: Die taz stellt Kennern und Akteuren der Szene drei Fragen nach dem Stand in Hirn und Herz. Heute antwortet Dorothee Starke, Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin des Bremerhavener Theaters im Fischereihafen (TiF). Bremerhaven soll nach Hellers Vorstellung an der Bremer Bewerbung teilhaben. Zu diesem Zweck wurden vergangenen Dezember Jürgen Wesseler und Kai Kähler vom Kunstverein Bremerhaven in Hellers Kulturhauptstadt-Team berufen.

taz: Wenn die Kulturhauptstadt ein Tier wäre, welches wäre sie?Dorothee Starke: Bleiben wir ruhig bei den Bremer Stadtmusikanten, die ja nun zum Maskottchen der Kulturhauptstadt avanciert sind: dann soll die Kulturhauptstadt der Esel sein.

Eigentlich von den meisten verkannt: scheinbar ein wenig weltfremd, nicht so richtig zu gebrauchen. Wenn es schnell gehen soll und effizient, setzt man doch eher ein rassiges, teures Pferd ein (die Eventkultur) als das Grautier, das mehr Ärger macht als alles andere.

Aber nun lasten auf seinem Rücken alle Hoffnungen: die der Wirtschaft (des wachsamen Hundes) auf mehr Einnahmen, die des Stadtmarketings (der schmeichelnden Katze) auf mehr auswärtige Besucher, und schließlich die Hoffungen der Kultur (des bunten Hahns) auf mehr Anerkennung (denn etwas besseres als den Tod finden wir überall).

Aber Vorsicht: der Esel ist bekanntermaßen ein höchst eigensinniges Tier, das seinen eigenen Weg geht. Das macht ihn sympathisch – und unberechenbar.

Was hat die Bewerbung bisher mit Bremerhaven gemacht?

Vielleicht zwei, drei Diskussionen über Kultur mehr einschließlich der spannenden Frage, ob man eigentlich unbedingt den Titel Kulturhauptstadt braucht, um sich wieder einmal auf Kultur zu besinnen.

Für Bremerhaven gilt ohnehin: wenn überhaupt wird Bremen Kulturhauptstadt, nicht Bremerhaven. Wenn nun aber allenthalben geradezu mit Euphorie registriert wird, dass Kultur doch eine Stadt umkrempeln, Identität stiften, die Einwohner begeistern und ganz nebenbei Besucher in die Stadt ziehen kann, wie es beispielsweise Graz oder Glasgow gezeigt haben, könnte man da nicht einfach so Kulturstadt werden – ohne „haupt“ aber mit viel Köpfchen.

Was hat sich unmittelbar für Sie geändert?

Nichts.

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