pampuchs tagebuch: Gates’ Strafe
Es heißt, Gott straft und die kleineren Sünden strafe er sofort. 20 Euro für die Akkreditierung von Journalisten beim Münchner Filmfest zu verlangen ist eine Sünde. Genau das aber tut die Presseabteilung des Filmfestes, eines ansonsten friedlich-cineastischen bayerischen Ereignisses, das – wie jedes Jahr – ab Ende Juni in unserer schönen Stadt abgehalten wird. Ohne Starrummel, ohne Palmen oder Bären – ein fast intimes Fest, das dieses Jahr das anregende Motto von Agnès Varda, „Träume mit offenen Augen“, trägt.
Wir Schreiberlinge meinten allerdings auch zu träumen, als wir von der „Akkreditierungsgebühr“ hörten. Gut, es ist eine kleinere Sünde, eine 20-Euro-Sünde sozusagen, aber sie trübt das Verhältnis von Film und Presse. In einer Film- und Kulturstadt wie München wird so etwas – zu Recht – bestraft. Die Strafe wurde elektronisch verabreicht: in Form von gezieltem Mailterror, der der zuständigen Presseabteilung des Filmfestes für ein Weilchen gehörig einheizte. Ein paar Stunden lang herrschte Chaos im virtuellen Akkreditierungsbüro, hunderte, was sage ich, tausende Mails rasten in alle Richtungen, türmten sich, wallten, brodelten und bordeten über. Gemailte, gefaxte und telefonische Hilfeschreie brachten bei Filmfestens das System nahezu zum Erliegen.
Und selbst wir braven Zahlemänner, die wir unsere Gebühren bereits entrichtet hatten, wurden in Mitleidenschaft gezogen: Auch unsere Mailboxen waren voll von fehlgeleiteten Akkreditierungswünschen. Wollte man uns am Ende vielleicht zeigen, wie viele Leute trotz der Gebühren bereit waren, einen Akkreditierungsantrag zu stellen? Die nette, kompetente Frau K. vom Pressebüro des Filmfests, die ich ein einer Mischung aus Häme und Alarm anrief, wies diese Vermutung weit von sich. Sie tippte bei dem – wie sie fachmännisch analysierte – „sich selbst verschickenden Virus“ auf einen gewissen „Bugbear“. Wo der herkomme, wisse sie nicht.
Das mit den Gebühren finde sie als ehemalige Journalistin auch nicht so prickelnd. Ob es sich um die Rache der Enterbten oder eine Strafe Gottes handele, wusste sie ebenfalls nicht zu sagen. Ich jedenfalls verdanke dem Filmfest der Träume meine erste Begegnung mit einem echten sich selbst verschickenden Virus. Das ist für einen kleinen User wie mich etwas wie ein Initiationsritus in der Glitzerglatzerwelt des kreditkartenunterstützten Akkreditierungsbusiness.
Interessant – aber auch irgendwie verdächtig – ist in diesem Zusammenhang, dass ich in ebendiesen Tage zum ersten Mal in meinem Leben auch mehrmals hintereinander Angebote zum günstigen Erwerb von nline-Viagra bekam – zu „3 $“ vom „cheapest supplier on the net“ und bei „100 % guarantee“. Ob das jetzt eine Sonderkondition für akkreditierte Filmfestberichterstatter ist, wurde nicht mitgeteilt. Jedenfalls geht es rund in meiner Mailbox, seit ich mich akkreditiert habe. Es ist, als träumte ich mit offenen Augen.
Ich habe aber auch noch eine andere Theorie über die Ursachen der neuen Wirrnis in meiner elektronischen Post. Es muss ja nicht immer der liebe Gott selbst sein, der straft. Einer seiner Stellvertreter auf Erden hat nämlich seit Ende Mai durchaus Gründe auf Münchner Netzbenutzer böse zu sein. Durch die (von aller Welt bewunderte) Entscheidung, in naher Zukunft die städtischen Rechner von Microsoft auf Linux umzustellen, hat unsere mutige Stadt nämlich, wenn vielleicht auch nicht gleich Heavens Gates niedergerissen, so doch immerhin Gates’ Heaven in Frage gestellt.
Gott straft, das wissen wir. Aber auch Gates straft. Vielleicht mit Bearbugs, vielleicht mit Viagra-Spam. Und es trifft Gerechte wie Ungerechte. Auch Gates’ Wege sind ziemlich unergründlich. THOMAS PAMPUCH
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