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Ende oder Wende?

10 Jahre Sanierungsprogramm: Es stellt sich nun die Frage, ob – oder unter welchenBedingungen – das Land einen verfassungskonformen Haushalt überhaupt erreichen kann

Ohne Initiative und ohne Kreativität wird man die Haushaltsplanung des Landes nicht auf milliardenschwere Einnahme-Erwartungen über Jahre bauen können

von VOLKER KRÖNING

Vergleicht man Anfang und Ende des elfjährigen Sanierungsprogramms, für das Bremen vom Bund 8,5 Milliarden Euro erhalten hat, so springt ins Auge, dass die Schulden nicht gesunken, sondern gestiegen sind. Damals wie heute wird fast jeder vierte Euro nur für Zinsen ausgegeben.

Als es 1998/99 um die zweite Tranche der Sonderzuweisungen ging, akzeptierte Bremen ohne Vorbehalt, dass die Hilfe des Bundes zum letzten Male gewährt wurde. Die erste Tranche 1993 wurde zusätzlich zu dem nach der Wiedervereinigung reformierten Finanzausgleich und dem Föderalen Konsolidierungsprogramm gezahlt. Anders 2001: Die Chance, den Solidarpakt II (2005 bis 2019) für eine Nachjustierung der Sanierung zu nutzen, blieb ungenutzt. Auch konstruktive Ansätze, wie etwa die der Einstieg in eine nationale Hafenfinanzierung oder eine de-jure-Überprüfung der Einwohnerwertung der Stadtstaaten, blieben aus. Stattdessen verharrte die Mehrheit der Länder in der Defensive und überließ es dem Bund, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1999 umzusetzen. Dies geschah ohne Not, denn man hatte sich bereits darauf verständigt, sich nicht gegenseitig das „Existenzrecht“ zu bestreiten. Im Kern hieß das, so das Bundesverfassungsgericht schon 1992: Die „Handlungs- und Leistungsfähigkeit“ jeder staatlichen Einheit ist zu gewährleisten.

Die Hauptdifferenz zwischen Ländern und Bund bestand darin, den Zeitraum auszunutzen, den das Bundesverfassungsgericht mit seinem „Doppel-Auftrag“ abgesteckt hatte, nämlich ein Maßstäbegesetz bis 2002 und ein neues Finanzausgleichgesetz bis 2004 zu beschließen. Im Ergebnis wurde der Bund genötigt, beide Gesetze unmittelbar nacheinander auf einer minutiös ausgehandelten rechnerischen Basis schon 2001 mit Wirkung ab 2005 zu verabschieden.

Der Preis dieser Hektik bestand darin, das Regelungswerk auf wirtschaftlichen Annahmen aufzubauen, die schon in Kürze überholt waren. Es folgten die Offenbarungseide von Bund und Ländern im Zusammenhang mit den Vorgaben der EU für Stabilität und Wachstum. Wer erneut – oder erstmals – an Hilfe des Bundes zur Überwindung einer extremen Haushaltsnotlage denkt, muss sich nach dem von Bundestag und Bundesrat einmütig beschlossenen Maßstäbegesetz richten. Dort heißt es: „Soweit Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen als ein Instrument zur Sanierung des Haushaltes eines Landes aufgrund einer extremen Haushaltsnotlage in Betracht kommen, setzt ihre Gewährung angesichts der nur in Ausnahmefällen gegebenen Hilfeleistungspflicht der bundesstaatlichen Gemeinschaft zusätzlich voraus, dass das betreffende Land ausreichende Eigenanstrengungen unternommen hat, um eine drohende Haushaltsnotlage abzuwenden oder sich aus ihr zu befreien. Es dürfen keine ausgabenseitigen Sonderbedarfe als Ursache für eine Haushaltsnotsituation geltend gemacht werden, die bereits im Wege anderer Hilfen abgegolten worden sind. Hilfen zur Haushaltssanierung sind mit strengen Auflagen und einem verbindlichen Sanierungsprogramm zu verknüpfen.“

Von diesem Verfahren enthebt der „Kanzlerbrief“ nicht, den Bremen für sich in Anspruch nimmt, ohne ihn je in die Staatspraxis eingeführt zu haben. Das Land hat allerdings das Recht, weiterhin Hilfe zu fordern, und der Brief, der mit der Finanzreform 2001 im wesentlichen erfüllt worden ist, behält eine wichtige „Good-will“-Funktion, denn es ist absehbar, dass mit dem Sanierungsprogramm das Ziel, 2005 einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen, nicht erreicht wird.

Ob allerdings daraus eine Pflicht der föderalen Gemeinschaft erwächst, Bremen weiter zu helfen, ist nicht ausgemacht: Die Steuerreform als gewollte Entlastung der Bürger, von breiten Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat legitimiert, nahm staatliche Mindereinnahmen auf allen Ebenen in Kauf – wenn auch unter ökonomischen Erwartungen, die sich inzwischen als unrealistisch erwiesen haben. Die daraus resultierenden Mindereinnahmen treffen jedoch alle Gebietskörperschaften.

Im Kern geht es darum, ob sich eine Sonderbehandlung Bremens gegen das Recht der anderen Gebietskörperschaften auf Gleichbehandlung durchsetzen lässt. Vordergründig müsste das Argument tragen, dass die Haushaltsnotlage nicht überwunden ist. Es fragt sich jedoch, ob – oder unter welchen Bedingungen – das Land einen verfassungskonformen Haushalt überhaupt erreichen kann.

Ohne eine selbstkritische Auswertung des Sanierungsprogramms ist ein neuer Verhandlungsansatz mit Bund und Ländern nur schwer zu finden. Diese Analyse sollte Faktoren umfassen, die bis vor kurzem unterschätzt wurden. So wurden Anfang der 90er-Jahre Annahmen über das bundesweite und das bremische Wachstum formuliert, deren Verfehlung von allen – oder niemandem – zu vertreten ist. Zudem würde sich die Finanzverfassung ad absurdum führen, wenn die anerkannte Leitlinie der Sanierung, nämlich Sparen und Investieren, im Endeffekt erfolglos bliebe.

Es bleibt Bremen also aufgegeben, ein Sanierungsprogramm II vorzubereiten, dabei aber andere Elemente als weitere Bundesergänzungszuweisungen ins Auge zu fassen, sodann fundierte Anträge zu stellen und die für die Durchführung erforderlichen Mehrheiten zu organisieren. Ohne Initiative und ohne Kreativität wird man die Haushaltsplanung des Landes nicht auf milliardenschwere Einnahme-Erwartungen über Jahre bauen können.

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