: Realer Krimi im virtuellen Auktionshaus
Das Internet-Auktionshaus eBay gibt interne Details einer Ver.di-Kampagne bekannt. Und beklagt Rufmord. Gewerkschaftsmitarbeiter erhalten anonyme E-Mails. Und sprechen von einer Drohkulisse. Umstrittene Arbeitsbedingungen
VON ANNA LEHMANN
Das Internet-Auktionshaus eBay macht mobil. Wie gestern bekannt wurde, berief die Geschäftsführung am Freitag eine außerordentliche Mitgliederversammlung ein und informierte die 440 Angestellten über eine angebliche Rufmordkampagne gegen das Unternehmen, das in Dreilinden am südlichen Stadtrand sitzt. „Die Botschaft lautete, wenn wir herausfinden, dass ihr Kontakte zur Gewerkschaft habt, fliegt ihr“, sagt Sandra Goldschmidt von der Internet-Gewerkschaft Connexx, einer Ver.di-Tochter. Sie habe nach der Versammlung mit vier Mitarbeiterinnen Kontakt gehabt, die sich eingeschüchtert gefühlt hätten.
In der Versammlung präsentierte die Geschäftsführung interne Protokolle von Connex. Die Gewerkschaftler wollten demnach das Unternehmen in fünf Stufen dazu treiben, einen Haustarifvertrag abzuschließen, so eBay-Sprecher Nerses Chopurian. Die Informationen über den Ablauf der Kampagne habe die Firma vom Nachrichtenmagazin Focus zugespielt bekommen. Focus bestätigte dies gestern. Woher die Interna ursprünglich stammen, blieb jedoch unklar. Focus-Redakteur Stefan Borst spricht von einem „Glückstreffer“ und bestreitet, dass er seine Informationen über unlautere Wege erhalten hat.
Die Agentur Q-Mindware, die Connexx bei der eBay-Kampagne unerstützt, berichtete indes, dass in der Nacht vor der Betriebsversammlung in ihre Büroräume eingebrochen worden sei. „Offenbar hatten es die Einbrecher auf lediglich zwei Laptops abgesehen“, mutmaßt der ehemalige Geschäftsführer von Q-Mindware, Frank Kornberger. Auf diesen Laptops seien seines Wissens Sitzungsprotokolle mit den Gewerkschaftsleuten gespeichert gewesen.
Doch nicht nur die in Umlauf gebrachten Informationen bereiten den Arbeitnehmervertretern Kopfschmerzen. Sandra Goldschmidt von Connexx berichtet, dass sie am Donnerstag, also noch vor der Versammlung, eine anonyme E-Mail erhalten habe. Darin sei sie aufgefordert worden, den Feldzug gegen eBay einzustellen. Am selben Tag erhielt auch Kornberger eine seltsame E-Mail von unbekannter Seite. Kornberger: „Es hieß, meine berufliche Zukunft stehe auf dem Spiel. Ich vermute, das steht im Zusammenhang mit der eBay-Geschichte.“
Connexx reagierte gestern mit einer Pressemitteilung: „Wir vermuten, dass eBay eine Drohkulisse aufbaut, um von den tatsächlichen Problemen abzulenken.“ Dies sind nach Gewerkschaftsangaben permanente Kontrolle und Überwachung am Arbeitsplatz.
eBay ging gestern in die mediale Offensive. „Alle Vorwürfe sind haltlos“, sagte eBay-Sprecher Chopurian gestern. „Dahinter steht eine konspirative Gruppe, die sich unser Unternehmen ausgesucht hat, um sich zu profilieren.“ Chopurian vermutet, dass Ver.di-Funktionäre damit ihre Wiederwahl sichern wollen. Connexx-Frau Goldschmidt dagegen sagte, die Gewerkschaft sei erst aktiv geworden, nachdem eBay-Mitarbeiter sie dazu aufgefordert hätten.
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