: Gut riechen, viel saufen
In Halle, Sachsen-Anhalt, wird mindestens dreifingerbreit überkandidelter gemordet als in Raymond Chandlers L. A.: Stefan Maelcks erster Hank-Meyer-Roman „Ost Highway“
Eigentlich dürfte Hank Meyer nur kurze Sätze sprechen, Sätze, hingeknallt wie ein Schnaps-Shot auf einen fleckigen Cowboytresen. Männersätze, Privatdetektivsätze, Chandlersätze. Denn Hank Meyer ist Privatdetektiv, Singlemann, Radio-DJ für eine Country-Sendung, latenter Alkoholiker – ein Kerl Ende 30, Anfang 40 eben. Allerdings nicht in einem schmutzigen New Yorker Office, sondern im heimelig-unheimlichen Halle.
Das ist der Grund, warum der Protagonist in Stefan Maelcks erstem Hank-Meyer-Roman „Ost Highway“ zwischen die geballten, kurzen Detektivshots auch mal Sätze wie „Er roch nach einem von diesen modernen, frischen Eaux de Toilette, die für beide Geschlechter gehen und damit der eigentlichen Idee von Duftwässerchen entgegenarbeiten“ hakelt. Und sich so abhebt von den landläufigen Männer-Tresen-Mordfall-Geschichten. Denn erstens passieren in Halle, Sachsen-Anhalt, Morde nicht so wie in Chandler-Klischee-Umgebungen, sondern mindestens dreifingerbreit überkandidelter: Die Tote, die Meyer im Funkhaus findet, ist mit einem Schlüpfer erdrosselt worden. Sie heißt Gerda Lattke, war zu Lebzeiten eine der ungekrönten Moderatorinnen-Stars der Gegend, hat einen in die USA abgewanderten, zwielichtigen Sohn und hatte eine Weile den Decknamen IM Maja.
Zweitens ist die Geschichte Meyers, der sich bei der Aufklärung des Falls von Halle über New Orleans und zurück säuft, neben dem Krimi vor allem eine „Sittenkomödie“. Das sagt der Erfinder Meyers, Stefan Maelck, selber Radio-DJ in Halle, im ähnlich besten Alter wie sein Protagonist, mit einem ähnlichen Humor, aber ohne Mordgelüste.
Das Krimiartige tritt auf diesem „Ost Highway“ zumeist zugunsten eines Umgebungsportraits zurück, einer Umgebung, die vor allem durch ihr ländlich-pomeranziges Lokalkolorit amüsiert. Hier soll man nicht der Blutspur folgen, sondern der Tonspur, dem, was der Detektiv beobachtet, kommentiert und bemäkelt.
„Fälle, an denen sich die Gesellschaft abarbeiten lässt“, versuche er zu schreiben, erklärt Meyer-Vater Maelck und weist sogar nicht alle autobiografischen Hinweise von sich, wie Schriftsteller es sonst gerne machen: Natürlich habe er den Helden ein bisschen in seiner Welt angesiedelt, einen ähnlichen Jahrgang mitgegeben, extra „keine Coming-of-age-Geschichte“ gemacht.
Er mag, sagt der gebürtige Wismarer Maelck, diese „geschlossenen Systeme“, wie Meyers Universum aus Kumpels, Suff und ganz spezieller Musik, weil sie einem „die Möglichkeit geben, herauszufinden, wer zu einem passt“. Zu Maelck, dem Autor, müssten demzufolge also Menschen passen, die einen wermuttrockenen Humor haben, das Herz voller Countrymusik und eine vergrößerte Leber. Der Humor ist dabei fast am wichtigsten. Denn Maelcks Buch könnte auch für Nicht-Country-Fans und Nicht- oder Wenig- Trinker funktionieren. Menschen ohne Albernheits-Gen stecken es vermutlich eher unter „Chandler Rip-off Ost“ weg.
Das Ost-Thema hat in Maelcks Buch, trotz Titel und Aufführungsort, ohnehin nicht die aus momentan so beliebten Ost-Verarbeitungs-Büchern bekannte Priorität. Halle, die Hallenser und ihre diversen Vergangenheiten und Vorlieben bleiben skurrile, genau beobachtete und ab und an gekonnt klischierte Staffage, die der Westler Meyer (genau wie der echte Ostler Maelck) kopfschüttelnd beschreibt. Und vielleicht trägt das ja zum angeblich immer noch irgendwo stattfindenden Zusammenwachsen der Himmelsrichtungen bei.
JENNI ZYLKA
Stefan Maelk: „Ost Highway. Ein Hank-Meyer-Roman“. Rowohlt Berlin 2003, 224 S., 16,90 €
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