: Merkel zeigt Rot-Grün Zähne
Union legt eigenes Konzept zur Gesundheitsreform vor: Zahnersatz wird nicht mehr von der Versicherung übernommen. Patienten sollen zehn Prozent der Arztrechnungen selbst bezahlen
BERLIN taz ■ Kurz vor der ersten Bundestagsdebatte über die rot-grüne Gesundheitsreform haben sich CDU und CSU auf eine gemeinsame Position verständigt: Patienten sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden als von der Regierung geplant. Nach langem Streit innerhalb der Union einigten sich die Parteivorsitzenden Angela Merkel und Edmund Stoiber gestern auf den Kompromiss. CDU/CSU wollen morgen im Bundestag ihren Alternativvorschlag zum Regierungskonzept vorlegen.
Wenn es nach der Unionsführung geht, werden Kassenpatienten künftig generell 10 Prozent der Arztrechnungen aus der eigenen Tasche zahlen. Dadurch könne die gesetzliche Krankenversicherung um 6 bis 8 Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden. Um weitere Kostensenkungen zu ermöglichen, fordert die Union, den Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zu streichen. Die Kosten sollen von den Versicherten selbst getragen werden.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) lehnte die Unions-Vorstellungen gestern ab. Selbstbehalte für Patienten seien reine „Abkassiererei“. Der Zahnersatz sei „eine medizinisch notwendige Leistung“ und müsse deshalb von den Kassen finanziert werden, sagte Schmidts Sprecher.
Der Sozialverband Deutschland kritisierte, die Union betreibe „Sozialabbau pur“. Dabei wollte die CDU ursprünglich noch radikaler kürzen. Mehrere Christdemokraten hatten dafür plädiert, sämtliche Zahnbehandlungen aus der gesetzlichen Versicherung herauszunehmen. Auch Merkel hatte diesen Vorschlag unterstützt. Der CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer warnte daraufhin vor einer „Privatisierungsorgie“. Um nicht völlig zerstritten in die Bundestagsdebatte zu gehen, telefonierten Merkel und Stoiber gestern mehrmals. Ergebnis: Zahnbehandlungen bleiben tabu.
CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach zeigte sich „erleichert, dass diese Kontroverse nun beendet werden kann“. Doch weit gefehlt: Seehofer kritisierte auch den Kompromiss der Parteichefs heftig. „Ich halte den Weg für falsch, und deshalb sage ich: No.“ Er befürchte deutliche Mehrbelastungen für Geringverdiener, Familien und Rentner. Eine Vorlage für SPD-Fraktionschef Franz Müntefering: „Bei der Union geht es durcheinander.“
Die Schadenfreude scheint jedoch verfrüht. In der SPD-Fraktion stimmten gestern sieben Abgeordnete gegen die Einbringung des rot-grünen Gesetzentwurfs zur Gesundheitsreform. Allerdings erklärten die linken Kritiker, dies sei noch keine Vorentscheidung über ihr Abstimmungsverhalten im Bundestag. Die Schlussabstimmung ist für den 8. Juli vorgesehen.
LUKAS WALLRAFF
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