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Clement provoziert wieder erfolgreich

Der Bundeswirtschaftsminister würde gern Feiertage streichen – diese Idee begeistert nur das Handwerk

BERLIN epd/ap/dpa ■ Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat nicht viel Zustimmung erfahren für seine neueste Idee, wie der Arbeitsmarkt zu beleben ist. Er hatte gefordert, Feiertage zu streichen – musste aber gestern zugeben, dass selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder diesen Vorschlag „recht zurückhaltend“ aufgenommen habe.

Dabei hatte Clement sogar einen internationalen Vergleich angestellt: „Wer unseren Feiertagskalender mit dem anderer Staaten vergleicht, der kann auch ins Grübeln kommen.“ Und er verwies darauf, dass das Wirtschaftswachstum 2004 bis zu 0,5 Prozent höher ausfallen werde, weil einige Feiertage auf Wochenenden fielen.

Die Kirchen reagierten ungehalten. Über Feiertage dürfe nicht „nach Kassenlage oder Konjunktur“ entschieden werden, kritisierte gestern der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der auch Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz ist. „Feiertage sind kein Eigentum der Kirchen und auch nicht der Politik, sondern sie gehören den Menschen“, sagte Lehmann. Menschen erlebten, dass Produktion und Rentabilität nicht den Sinn des Lebens ausmachten.

„Eher als einen Feiertag würde ich einen variablen Urlaubstag streichen“, schlug die hannoversche evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann vor. Die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter erklärte: „Man braucht die Feiertage, um seine Seele, die Beziehungen zu Gott, die Hobbys und die Familien zu pflegen.“

Clement begegnete diesen Attacken durchaus kühl. Das seien „ritualisierte Reaktionen“. Sie seien „interessant“, aber die gleichen wie vor 25 Jahren. Er wolle mit den Kirchenvertretern nicht über die Bedeutung von Feiertagen diskutieren, sondern die Arbeitskosten in Deutschland reduzieren. Dies sei nötig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Außerdem erfordere der demografische Wandel, neu über das Verhältnis von Arbeit und Freizeit nachzudenken. Doch wollte sich der Minister keineswegs hinter der wirtschaftspolitischen Diskussion verstecken. Er bot den Kirchen an, sofort eine Diskussion über den „liturgischen Sinn“ des Pfingstmontags zu beginnen.

Empört sind jedoch nicht nur die Kirchen, sondern auch die Gewerkschaften. Die Deutschen hätten „zunächst mal zu wenig Arbeit“, sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. Er forderte den Wirtschaftsminister auf, nicht „jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben“. Aufgabe des Ministers sei es, Beschäftigung zu schaffen, und nicht, „den Leuten die Feiertage zu nehmen“. Ähnlich sieht es die IG Metall. „Wenn immer weniger Menschen immer länger arbeiten, ist der weitere Anstieg der Arbeitslosigkeit vorprogrammiert“, sagte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel. Weniger Urlaubs- und Feiertage brächten keinen neuen Arbeitsplatz.

Handwerkspräsident Dieter Philipp hingegen begrüßte die Idee, über die Streichung von Feiertagen nachzudenken. Gleichzeitig forderte er, die Feiertage so zu organisieren, dass keine Brückentage mehr möglich sind. Diese störten gerade kleine Betriebe in ihrer Disposition und Auftragsbearbeitung und legten oft ganze Verwaltungen lahm.

Die Finanzpolitikerin der Grünen, Christine Scheel, nannte die Diskussion „ziemlichen Quatsch“. Bundesweit gebe es 9 Feiertage. In einigen Ländern mit 14 Feiertagen sei die Arbeitslosigkeit aber „geringer als woanders“.

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