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Freiheit statt Sozialismus

Beim „Tag der Wirtschaft 2004“ des Mittelstandes in den Dortmunder Westfalenhallen spricht der FDP-Chef Guido Westerwelle zu Gleichgesinnten. Deutschland sehen die Unternehmer auf DDR-Kurs

„Ausbildungsplatzabgabe ist DDR-Light“, findet Guido Westerwelle, der letzte Verteidiger der Marktwirtschaft

AUS DORTMUND KLAUS JANSEN

Das wird ein süßer Vormittag für Guido Westerwelle. Der FDP-Chef schüttet sich extra viel Zucker in den Kaffee. Er reibt sich die Hände und grinst. Dann lässt er sich auf einen Stuhl fallen. Neben Westerwelle sitzen zwei Herren und grinsen mit ihm um die Wette. Alle drei sind gut gelaunt und braun gebrannt. Sonnenstudio oder Karibikurlaub? Niemand weiß es. Einer der Herren, Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), trägt zu Ehren Westerwelles sogar eine gelbe Krawatte mit blauen Punkten. Das freut den FDP-Chef. Der dritte Strahlemann ist Herbert Schulte, Landesgeschäftsführer des BVMW NRW. Er ist der Gastgeber des „Tag der Wirtschaft 2004“ in den Dortmunder Westfalenhallen.

Was der BVMW in Dortmund versammelt hat, ist „das fleißige Deutschland, die schweigende Mehrheit der Republik“ – sagt Guido Westerwelle. Knapp 100 Aussteller haben ihre Stände in der schmucklosen Halle aufgebaut. Werbefachleute mit schickem Seitenscheitel und asymmetrisch geschnittenen Hemden sind dabei, auch zwei kahlköpfige Headhunter mit grimmigem Gesichtsausdruck, bei deren Anblick man sich nicht vorstellen mag, mit welchen Methoden sie künftige Führungskräfte rekrutieren.

Sie alle wollen Kontakte knüpfen, die meisten der vielleicht 2.000 Gäste sind Unternehmer wie sie. „Neue Netzwerke schaffen, ein Trampolin für Visionen bieten“, will der BVMW in Dortmund. Sagt NRW-Landeschef Schulte. Vor allem aber den Frust loswerden über die Regierung in Berlin. Dafür hat man Westerwelle eingeladen.

„Es ist schön unter Gleichgesinnten zu sprechen. Auf Gewerkschaftstagen schmeißen sie einem Blumen auf die Bühne, an denen die Töpfe noch dran sind“, sagt Westerwelle. Die Unternehmer lachen, Gewerkschafterwitze kommen an. Westerwelle zeichnet ein düsteres Bild der Berliner Politik: Ein Kartell von SPD, Grünen und Gewerkschaften wolle dem Mittelstand an den Kragen. Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Ausbildungsplatzabgabe – alles Umverteilung. „Ökonomische Unvernunft und verirrtes Denken“, nennt Westerwelle das. Neidgesellschaft statt Anerkennungskultur. Fast schon Planwirtschaft und Sozialismus. „Die Ausbildungsplatzabgabe ist DDR light“, sagt der FDP-Chef. Und: „Ein Fünfjahresplan für Elite-Unis, so stellt sich der kleine Marxist Bildungspolitik vor, bevor er sein Studium abbricht.“ Dasselbe hat er in der vergangenen Woche in Hagen auch schon gesagt.

Aber die Unternehmer finden es gut. „Freiheit statt Bürokratie“ will BVMW-Chef Ohoven. Weniger Steuern und Subventionen. Es sei denn man investiere in die Bildung, ergänzt NRW-Landeschef Schulte. Dafür könne man auch den Sparkurs lockern. „Das ist zwar ein zweischneidiges Schwert, aber sinnvoll“, sagt er. Genauso wie Sonderwirtschaftszonen, auch im Ruhrgebiet. „Das kann das Tarifkartell lockern.“ Um so etwas durchzusetzen, müssten Unternehmer in die Politik, fordert Mario Ohoven. Sonst säßen da nur noch Gewerkschafter und Beamte.

Guido Westerwelle ist zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Weg nach Berlin. Er trifft Chinas Ministerpräsident Wen Jibao. Der ist in der Kommunistischen Partei und wird wohl keine gelb-blaue Krawatte tragen.

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