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GEORGIEN IST DER AUFTAKT ZUM ZERFALL DER RUSSISCHEN GROSSMACHTMoskau verliert Einfluss

Wenn immer Igor Iwanow auf der Bühne erscheint, verheißt dies schwächelnden Machthabern im Kaukasus nichts Gutes. Noch als russischer Außenminister überredete Iwanow vergangenen November Präsident Eduard Schewardnadse zum gewaltfreien Rücktritt. Vorgestern tauchte der Vorsitzende des recht bedeutungslosen Sicherheitsrates nun auch in Adscharien auf und moderierte den Abgang des widerborstigen Provinzfürsten Aslan Abaschidse. Ihn nahm er schließlich mit in die Verbannung nach Moskau.

Auf ihrem Flug hatten die Reisegefährten durchaus Grund zur Trauer. Denn Abaschidses Abgang signalisiert auch den Abgesang Russlands als Vormacht im Transkaukasus. Es könnte gar die Ouvertüre zum Zerfall der russischen Großmacht in den kommenden Jahrzehnten sein. Beide Rücktritte liefen den Interessen Moskaus zuwider. Dennoch handelte Iwanow auf Geheiß des Kreml, der mit der Rolle des Schlichters Schwäche und Konzeptionslosigkeit kaschiert. Als ginge es Moskau nur noch um ein gutes Image in der internationalen Arena, keineswegs mehr um Macht und Einfluss. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Russland hat keinen klaren Begriff von sich selbst, was nicht selten dazu führt, dass es die eigenen Kräfte überschätzt. Dennoch hat Moskau im Kaukasus ausgespielt. Der „Rosenrevolution“ Präsident Saakaschwilis folgte eine klare Strategie zur inneren Konsolidierung Georgiens.

Ähnliches könnte sich bald auch in Armenien wiederholen, dem letzten treuen Verbündeten Moskaus in der Region. Der unter Hilfe des Kreml vollzogene Rückzug aus ehemaligen Kolonialgebieten isoliert Russland weiter und verdeutlicht: Nur schwache Staaten mit autoritären Regimen zählt Moskau zu Verbündeten. Wo sich Ansätze von Demokratie regen, hat Russland keine Chance. Aber selbst in jenen Staaten denken die Regenten nach den Ereignissen von Batumi sicherlich um: Was nützt ihnen eine verbündete Vormacht, die im Krisenfall nichts zu bieten hat, als den abgehalfterten Potentaten auszufliegen und auf einer Datscha vor Moskau unterzubringen. KLAUS-HELGE DONATH

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