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Es geht um Musik

Mit „Operatunity“ setzt Arte in Arienform auf die Castingshow-Karte – und macht natürlich alles besser

Klingt alles wie gehabt. „Für etwas mehr als ein Jahr“, verheißt eine Stimme aus dem Off, „wird dies der Schauplatz eines unglaublich riskanten Projekts sein.“ Dramatische Musik drunter, verschwommene Bilder drüber – ein „ähnlich kühnes Unterfangen“ soll angeblich „bisher noch niemand gewagt“ haben. Dazu das Etikett Doku-Soap und der Hinweis, 2.500 Laiensänger hätten sich beworben – keine Frage: Hier geht es um mehr „DSDS“, noch mehr „Star Search“, noch viel mehr Durchschnittstypen bei der telegenen Aufarbeitung massentauglicher Recyclingmucke. Nichts Neues, stünde nicht Arte in der Bildschirmecke.

Arte. Der Kultursender mit den weltweit höchsten Einschaltquoten, würden ihn tatsächlich all jene einschalten, die es behaupten. Nur: Sie tun es in der Regel nicht, und sie werden es wohl leider auch nicht tun, wenn ab morgen täglich sechs Abende lang um 20.15 Uhr „Operatunity“ läuft – die vermutlich erste Castingshow der Oper.

Die mainstreamkompatibler Anbiederung eher unverdächtige „English National Opera“ hat stimmgewaltige Europäer gebeten, ein Video mit Gesangsproben an die größte Bühne Londons zu schicken. Das optimistische Ziel: In einem Jahr sollte der oder die Beste in Verdis „Rigoletto“ singen. Schon was anderes, als Robby Williams oder Pink zu covern. Und wenn Jurymitglied Mary King beteuert, „wir suchen nach der Essenz des reinen Klanges“, wird deutlich, dass hier Herzblut, Können und Leidenschaft gefragt sind. Nicht hübsche Gesichter, schicke Choreografien und adrette Stimmchen.

Deshalb sehen die hundert Kandidaten, die es in die erste Runde geschafft haben und persönlich vorsingen dürfen, auch nicht aus wie Klonkrieger der Popindustrie, sondern wie echte Menschen. Bauarbeiter, Nachtklubsänger, Ärzte, Arbeitslose, Startupper – sie alle trainieren unter der Dusche für ihren Traum von der Bühne. Und ins Gänsehautgefühl beim Zuhören mischt sich Überraschung, wie viele Ottonormalverbraucher das Zeug zur Arie haben – wenn schon ein Schweinezüchter singt wie einst Caruso.

Dass auch bei „Operatunity“ der Weg vom Bewerbungsfilm übers Vorsingen zum Workshop in die Gesangskarriere nicht ohne dramaturgische Tricks und poppige Schnitte auskommt, sei Regisseur Michael Waldman verziehen. Und dass eines der vier Jurymitglieder fürs Optische zuständig scheint – geschenkt. Was aber an der Doku-Soap so fesselt, ist die ehrliche, liebevolle, durchgeknallte Hingabe, mit der alle Beteiligten zeigen, worum es ihnen geht: um Musik. JAN FREITAG

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