MATTHIAS URBACH über DER PERFEKTE KAUF: Ameisen, ihr wollt Krieg? Könnt ihr haben
Ameisen im Haus sind nicht gut. Aber wie kriegt man sie raus? Staubsauger, Backpulver oder Chemiebombe?
Ich stehe in der Drogerie und inspiziere eine weiß-blaue Dose mit „Ameisenpulver“. Wirkstoff „1,5 % Chlorpyrifos“. Ich soll das Pulver in „kleine flache Schalen“ an Ameisenstraßen aufstellen, mit Wasser gemischt „in Ritzen und Fugen injizieren“. Oder „für die Bekämpfung“ direkt in den Bau gießen – „am besten am Morgen“.
Kampf. Im Morgengrauen. Das trifft genau meine Gefühlslage. Und es fing so harmlos an. „Papa, schau mal!“ Mein Sohn hockt in der Mitte des Wohnzimmers und deutet aufs Parkett. Zwei Ameisen krabbeln übers Holz. „Attacke!“, ruft er – und bevor ich einschreiten kann, sind die Tierchen hinüber.
Am Morgen drauf sind es schon zwei Dutzend, die sich zu einer kleinen Straße formieren. Mein Dreijähriger ist fröhlich am Zertrampeln. Ich rüge ihn. Schließlich glaube ich an friedliche Koexistenz: Den Ameisen gehört der Garten, uns die Wohnung. Wir überlassen selbst unsere Erdbeeren den Schnecken.
Doch irgendwo muss nun ein Loch in der Hauswand sein. Ich beschließe, es zuzuspachteln. Leider ist unser Altbau voll Ritzen und mächtiger Fugen. Unmöglich, das Loch zu finden. Auch nicht von außen.
Tags drauf weckt mich das Stampfen von Kinderfüßen. Hundert Ameisen im Wohnzimmer, erste Späher in der Küche.
Meine Liebste lockt unseren Sohn ins Kinderzimmer, während ich den Staubsauger klarmache. Das muss er nicht sehen. 1.200 Watt können die Winzlinge nicht widerstehen. Meine Liebste schlägt am Boden derweil ein paar tot und lässt sie liegen. „Zur Abschreckung.“
Am nächsten Morgen sind Leichen und Straße fort. Ich erspähe zwei schwarze Biester, wie sie unters Sofa rennen: Dort hat sich jetzt die Ameisenbrigade verschanzt. Sie wollen Krieg? Können sie haben!
Meine Frau setzt ihre Politik der Abschreckung fort. Ich marschiere in die Drogerie. Dort lagern mehr Chemiewaffen als im Irak. Für jedes Ungeziefer etwas. Zur Auswahl gegen Ameisen stehen „Permethrin“, „Tetramethrin“, und vor allem „Chlorpyrifos“.
Die Gebrauchshinweise lassen meinen Glauben an chirurgische Schläge schwinden. „Von Kindern fernhalten. Während der Anwendung nicht essen, trinken oder rauchen. Gründlich waschen.“ Ein Blick ins Internet bestätigt meine Ahnung: In den USA darf Chlorpyrifos-Pulver nicht an Privatleute verkauft werden, die Anwendung in Haus und Garten ist weitgehend verboten. Das Gift löst bei Kindern Kollateralschäden aus: Atembeschwerden, Verwirrung, Schwindel. Soll ich mit Substanzen in den Krieg ziehen, mit denen George W. Bush nicht mal sein Weißes Haus verteidigen darf?
Die Kampfmoral sinkt, doch meine Großmutter weiß Rat. „Backpulver. Die Dinger fressen das Treibmittel und platzen!“ Backpulver? Ich kann es nicht glauben und frage die Suchmaschine. Tatsächlich: Auch die Umweltberatung Bayern rät auf ihren Internetseiten dazu. Um Brut, Männchen und Königin zu erwischen, die im Nest bleiben, werden Köder aus Zucker und Backpulver empfohlen – gemischt im Verhältnis 1:1. Die Arbeiterinnen schleppen sie ahnungslos in den Bau. Perfide.
Leider sind meine Ameisen clever und meiden die Köderschälchen. Ich sauge die Klugscheißer weg und schütte kleine Pulverbarrieren quer über ihre Routen auf. Doch die Attacken reißen nicht ab. Meine Liebste stapelt wieder tote Ameisen.
Ich entschließe mich zur Gegenoffensive: Unter einem Blumenkasten draußen direkt an der Hauswand häufen sich die Biester. Ich überschütte sie mit einer Tasse tödlichen Gemischs. Nach ein paar Tagen krabbeln dort nur noch vereinzelt Ameisen – und in der Wohnung ist endlich Ruhe.
Darf man Tiere zum Platzen bringen? Ich erzähle meinem Sohn, ich hätte den Ameisen Zucker geschenkt, damit sie nicht mehr ins Haus müssen – und fühle mich wie Saddams Informationsminister.
Fazit: Gute Hausmittel gegen Schädlinge liefert die Fachinformation der Umweltberatung Bayern (www.bayern.de/lfu/ umwberat)
Fragen zu Chlorpyrifos? kolumne@taz.de Morgen: Bernhard Pötter über KINDER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen