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kommentar: siemens osterweiterungFrührente in Bocholt

Die Sache ist ausgemacht: Weil Siemens ganz auf Ost-Erweiterung setzt, werden Bocholt und Kamp-Lintfort selbst dann rasiert, wenn sie hier 67 Stunden Telefone löten würde. Trotzdem sind ihre Kollegen in Debrecen billiger. Was stutzig macht an der Erweiterung der Europäischen Union, ist die Einseitigkeit:

Denn viel wurde getan, um Arbeitsmärkte vor den günstigen Händen aus den Beitrittsländern zu schützen. Östliche Arbeitskräfte haben mindestens sieben Jahre lang keine Freizügigkeit zu erwarten – für West-Industrie und Gewerbe wurden die Grenzen längst geschleift. Was den Menschen in Ungarn nun Jobs bringt, raubt den Menschen am Niederrhein ihre Arbeit.

Hätte man also nicht auch über West-Industrie eine siebenjährige Sperre für allzu gewagte Umzüge verhängen können? Wohl kaum. Spätestens seit Einführung des EU-Binnenmarktes wird produziert, wo es sich rechnet. Selbst die deutsche Einheit brachte Spareffekte – auch in Eisenach wurde günstiger gearbeitet und bald darauf weniger im Westen. Die Ost-Autotöchter machen schon lange vor, wie preisgünstig die gleichen Autos sind, werden sie in Slowenien hergestellt.

Was wirklich hilft? Entweder ein Volksaufstand wie im italienischen Terni – so intensiv war der, dass ThyssenKrupp von der Werksschließung absah. Moral als Druckmittel. Oder man setzt weiter auf Sozialplanverhandlungen, die behagliche Frühpension im Westen – ist immer noch schöner als Leben und Arbeit in Debrecen.

CHRISTOPH SCHURIAN

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