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Wehret den Bollerwagen

Ein linkes Bündnis protestiert gegen die Vereinnahmung des Vatertags durch Neonazis. Denn in den vergangenen Jahren kam es wiederholt zur Allianz betrunkener Familienväter und grölender Rechter

VON FELIX LEE

Morgen ist Christi Himmelfahrt, Feier- und Vatertag. Landauf- und abwärts ziehen fröhliche Herren und ausgelassene Familienväter durch Wälder, über Wiesen und am Ende des Tages auch durch die Kneipen. Was für so manch einen Bierpächter zum umsatzstärksten Abend wird, endet für viele Väter nach stundenlangen Bierorgien mit Hitzeschlag und Brummschädel.

Das ist die harmlose Variante. Nicht so harmlos ist es, wenn es zur Allianz besoffener Familienväter und grölender Neonazis kommt. So geschehen an manchem Vatertag der vergangenen Jahre insbesondere im Ostteil der Stadt. So kam es auch in den Bezirken Friedrichshain und Lichtenberg wiederholt zu Vorfällen mit glatzköpfigen Skins, die Behinderte anpöbelten, Frauen bedrohten und Migranten schikanierten – und das zum Teil unter dem tosenden Beifall besoffener Familienväter.

Damit der Feiertag nicht wirklich zum Himmelfahrtstag wird, ruft eine linke Initiative zu einer Kundgebung mit anschließendem Picknick auf. „Angsträume beseitigen! Chauvinismus entgegentreten! Den Nazis ins Bier spucken!“, so das Motto. Am auch Herrentag genannten Vatertag könnten sich die „rassistischen und sexistischen Tendenzen entladen, denn da ist Vater richtig frei“, schreiben die Herrentags-Gegner in ihrem Aufruf, der unter www.schoenerfriedrichshain.de im Internet zu lesen ist. Weiter heißt es: „Auch in Friedrichshain werden sie [die Neonazis] herumwanken und allen Nichtdeutschen, Nichtweißen und Nichtmännern das Leben zur Hölle machen.“

In der Tat häufen sich in den linksalternativen Kiezen von Friedrichshain auch an anderen Tagen im Jahr die rechtsextrem motivierten Übergriffe. So zum Beispiel im Februar, als vier Neonazis zwei junge Männer am U-Bahnhof Frankfurter Tor krankenhausreif schlugen. Herumgesprochen hat sich im Kiez auch, dass sich auf der so genannten Biermeile auf der Karl-Marx-Allee immer wieder stadtbekannte Nazikader sammeln und anschließend pöbelnd durch die Straßen ziehen. Und am U-Bahnhof Frankfurter Tor kommt es in letzter Zeit immer wieder zu Nazi-Schmierereien.

Die Kundgebung „gegen Chauvinismus“ und für „angstfreie Räume“ soll morgen um 14 Uhr am Petersburger Platz beginnen. Nur den Aufruf „den Nazis ins Bier zu spucken“ sollte man nicht zu wörtlich nehmen. Das hat nämlich wirklich nichts mit Mutproben zu tun, sondern ist schlicht und einfach ekelig.

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