: Schlechte Noten für Südamerika
Über die Industrieländer hinaus erweiterte Pisa-Studie sieht fast die Hälfteder südamerikanischen SchülerInnen an der Schwelle zum Analphabetentum
BERLIN taz ■ Die Deutschen haben Luxus-Probleme. Gestern schickte der Vorstand des Handy-Portals Jamba! einen Notruf über die Agenturen. „Viele Bewerber sind nicht in der Lage, mit einem Kunden zu telefonieren“, schimpfte Vorstandsmitglied Alexander Samwar. In Südamerika fiele Samwars Bilanz noch katastrophaler aus. Die neueste Ausgabe des internationalen Schulvergleichs, der Pisa-Studie, zeigt: Teilweise die Hälfte der Schüler in Südamerika steht an der Schwelle zum Analphabetentum.
Das Ergebnis des „Programms of International Students Assessment“, kurz Pisa, ist deshalb so verheeerend für Südamerika, weil die Forscher die schlechten wirtschaftlichen Daten „statistisch kontrolliert“ haben. Auch dann schneiden die Bildungssysteme Argentiniens, Chiles, vor allem aber Perus und Brasiliens schlechter ab als etwa die asiatischer Länder. Auch Albanien und Mazedonien haben einen erschreckend hohen Anteil an „funktionalen Analphabeten“. Neu war an der gestern in London vorgestellten Pisa-Studie der erweiterte Teilnehmerkreis. So nahmen nicht mehr nur Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbei und Entwicklung (OECD) an der Studie teil. In Peru lagen über die Hälfte der Schüler in der schlechtesten Leistungsstufe, die Pisa zu bieten hat. In Albanien und Mazedonien waren es 44 und 35 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland lässt zehn Prozent seiner Schüler auf diesem schlechten Niveau hängen, im OECD-Schnitt sind es 6,9 Prozent. Beim Weltmeister Korea gibt es nur ein Prozent miserabler Leser (siehe auch S. 14).
„Bei den südamerikanischen Ländern sowie bei Albanien und Mazedonien kann man gar nicht mehr von Lesekompetenz sprechen“, sagte der Pisa-Leiter Andreas Schleicher der taz. Das sei beunruhigend, da von Bildungschancen nicht mehr die Rede sein könne. Südamerikas Schulen seien nicht in der Lage, ihren Jugendlichen Perspektiven für das Leben zu bieten. Die Lesekompetenz ist das Grundprinzip des Vergleichs von insgesamt 43 Staaten. Nicht die Lehrpläne der Länder werden verglichen, sondern 15-Jährige sollen dabei Texte lesen und interpretieren.
Die Überraschung der neuen, erweiterten Pisa-Studie war Hongkong. Im internationalen Vergleich landet die Ex-Kronkolonie und heutige chinesische Sonderzone auf Platz drei hinter Finland und Korea. Hongkong gelingt es, zehn Prozent seiner Schüler auf das höchste Leseniveau zu heben. Weitere 31 Prozent befinden sich auf der zweiten Kompetenzstufe. Diese Ergebnisse erzielten die Schulen der Stadt, obwohl 45 Prozent der Schüler Zuwanderer sind. In den Grundschulen differieren die Leistungen der Schüler. Bis die Schüler 15 Jahre alt sind, werden diese Unterschiede weitgehend ausgeglichen. Die Besonderheit des deutschen Schulsystems hingegen ist, dass die Niveauunterschiede nach der Grundschule immer größer werden.
Untersucht wurde erneut der Vergleich Männer und Frauen. Hier gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Weltweit sind die Bidungschancen von Frauen viel größer geworden. So haben heute doppelt so viele Frauen zwischen 25 und 34 Jahren einen akademischen Abschluss als vor 30 Jahren. In 17 OECD-Staaten zogen die Frauen in der Zahl der Studienabschlüsse mit Männern gleich. Die schlechte Nachricht: In Mathe und Naturwissenschaften ist das nicht der Fall. CHRISTIAN FÜLLER
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