piwik no script img

Ein politisches Lehrstück

Wissenschaftsstaatssekretär Peer Pasternack geht, weil er die Sparpolitik nicht mehr mittragen will. Finanzstaatssekretär Frank Bielka wird Chef der Degewo. Dort gibt es richtig viel zu verdienenvon CHRISTIAN FÜLLER

Dass Peer Pasternack jetzt nach Wittenberg fährt, um seine Thesen gegen Studiengebühren an Holztüren zu schlagen, ist eher unwahrscheinlich. 95 Thesen, das wäre zwar eine angemessen komplexe Argumentation für den Bald-nicht-mehr-Wissenschaftsstaatssekretär. Nur ist der junge Mann, der vergangene Woche den Job bei Wissenschaftssenator Thomas Flierl hinschmiss, dafür weder lutherisch noch rechthaberisch genug. Auch wenn er beides ist.

Peer Pasternack war eineinhalb Jahre lang ein ganz gut bezahlter Wissenschaftsmanager; jetzt wird er wieder Forscher am „Institut für Hochschulforschung“, weniger gut bezahlt, im unspektakulären Wittenberg. Was hat ihn vertrieben?

„Wenn es etwas gegeben hätte, wovon man als Opa hätte stolz berichten können“, meint Pasternack, dann hätte das Weitermachen einen Reiz gehabt. Gerade jetzt, da es angefangen hatte, Spaß zu machen, wo man sich gewisse Routinen zugelegt hatte für die unvermeidliche Staatssekretärsarbeit wie Grußworte und Ordensverleihungen. In Wahrheit, so findet er, ist es doch so: „Alles Bisherige hätte man vor Enkeln verstecken und verschweigen müssen.“

Er habe den Lafontaine gemacht, heißt es vorwurfsvoll. Es steht zu lesen, Pasternack habe den Moment abgepasst, da sein Senator endlich wieder eine Kulturstaatssekretärin hatte – weil er in diesem Moment ade sagen konnte, ohne Flierl im Regen stehen zu lassen. Aber auf preußische Pflichtgefühle steht der ehemalige Kraftfahrer, Student des wissenschaftlichen Kommunismus und Reformer der Universität Leipzig eher nicht. „Mit dieser Begründung bin ich schon nicht in die SED eingetreten“, wehrt der zierliche Mann das Ansinnen ab, man müsse sich doch, bitte schön, beteiligen, um etwas verändern zu können.

Die Rücktrittsgründe des Peer Pasternack sind wahrscheinlich politischer als das Rote Rathaus. Es war gelungen, einen aberwitzigen Kürzungsbetrag von 300 Millionen Euro abzuwenden, den der Finanzsenator aus den Unis herauspressen wollte; geblieben sind dennoch 75 Millionen Euro – und damit der unvermeidliche Abbau von Studienplätzen. Als diese Zahl vor Jahren unter die 80.000 sinken sollte, ging ein Aufschrei nicht nur durch die Stadt, sondern durch die Republik. Diesmal ist wenigstens einer zurückgetreten! Vielleicht ist ausgerechnet Monika Grütters (CDU) die Einzige, die kapiert hat, was in der Brunnenstraße passiert ist. Pasternack würde das selbstverständlich als Käse zurückweisen. Er sagt lieber zu denen, die den ungeheuren „Erfolg“ gegen Sarrazin feiern: „Es ist mir nicht gegeben, den Selbstbetrug auf die Spitze zu treiben.“

Peer Pasternack hatte für sich ein paar Messlatten aufgestellt, unter denen er nicht durchwollte – egal ob es Karriere oder Pension schaden würde. Dazu gehörte auch das prinzipielle Unverständnis dafür, dass es in Berlin nur ein politisches Ziel gibt – Haushaltskonsolidierung. Sparen freilich ist kein Ziel, sondern ein Mittel der Politik. Als das Mittel nun begann, das echte Ziel „Zukunft, Wissen, Innovation“ aufzuessen, war Schluss, musste es sein. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, doch, so lutherisch kann der Pasternack sein.

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Was ist los mit Frank Bielka, Staatssekretär für Finanzen und frisch gewählter Vorstand der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo? Am Telefon ist er nicht zu erreichen. Seine Mitarbeiter haben Anweisung, „keine Stellungnahme zu dem Wechsel“ abzugeben. Wann er seinen Abschied aus dem Amt nehmen will und vor allem wie, ist ebenfalls unklar. Es liege kein Antrag auf Entlassung aus seiner elfjährigen Tätigkeit als Staatssekretär in verschiedenen Verwaltungen vor, sagt der Vizeregierungssprecher. Allein Klaus Wowereit (SPD) kommentierte die Wahl Bielkas zum Vorstandsmitglied: „Jedem Staatssekretär ist es anheim gestellt, seinen Dienst zu quittieren.“ Heißt das, der Regierende ist nicht bereit, Bielka in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, weil dies zur Folge hätte, dass Bielka hohe Pensionsansprüche geltend machen kann? Denn die bräuchte er ja nicht, liegt doch das Grundgehalt der Degewo-Vorständler bei circa 120.000 bis 150.000 Euro.

Alles deutet darauf hin, dass Frank Bielka einmal mehr allen zeigt, was eine Harke ist. Nicht genug damit, dass er auf SPD-Ticket sich den Versorgungsposten bei der Degewo – bei der er lange Zeit selbst im Aufsichtsrat saß – schnappt, wie Barbara Oesterheld (Grüne) moniert. Der Mann der Partei, die tagaus, tagein den fälligen Mentalitätswechsel in der Stadt predigt, scheint nicht bereit, klar Schiff zu machen, wenn es ums eigene, sprich öffentliche Geld geht.

Zweimal ist der 1947 in Berlin geborene Bielka fahrlässig mit Haushaltsmitteln umgesprungen. 1996 wurde dem Finanzstaatssekretär vorgeworfen, den Bezirken falsche Zahlen über vorzunehmende Einsparungen mitgeteilt zu haben. Man habe „vergessen“, rechtzeitig die genauen Summen herauszugeben, war später die Ausrede.

1999 warf ihm samt Staatssekretärskollege Peter Kurth (CDU) der Untersuchungsausschuss zur „Schockemöhle-Affäre“ vor, beim Verkauf eines Berliner Stadtgutes an den Springreiter geschlampt und einen zu niedrigen Preis im Vertrag mitverantwortet zu haben. Statt rund 10 Millionen wollte Bielka dem Land nur 2,4 Millionen Mark in die Kasse bringen. Keine Schuld, nichts gewusst, Panne der Verwaltung, lauteten die Abwehrargumente. Immerhin, Vorsatz war ihm nicht nachzuweisen.

Bielka, seit 1974 ununterbrochen im politischen Geschäft – als Stadtrat, Neuköllner Bürgermeister und seit 1991 abwechselnd mal als Bau- und Finanzstaatssekretär tätig – kannte die Winkelzüge, und „mauern“ gehörte zum Geschäft. Verwaltungsinterne Entscheidungsvorgänge, so Bielka einmal vor dem Vermögensausschuss, oder Akteneinsicht sei den Ausschussmitgliedern nicht zu gewähren.

Auch wenn der Sozialdemokrat sich früh für die Privatisierung öffentlicher Aufgaben stark gemacht hat, lag ihm daran, an Traditionsreichem festzuhalten. Als die Berliner SPD-Linken 1999 über das Ende der großen Koalition aus CDU und SPD nachdachten, blockte der dem rechten „Britzer Kreis“ zugehörige Bielka. Die machtorientierte Strategie der Westberliner SPD-Altvorderen war ihm wichtiger als Experimente. Dafür belohnt ihn der Strieder-Verein nun, und er sich vielleicht selbst. Oder?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen