: Brasilien sucht Heil im Wasser
VON GERHARD DILGER
Ist Brasilien ein Vorbild? Die Statistik legt dies nahe: In Deutschland beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch 3,1 Prozent, in Brasilien ist er 12-mal so hoch. Zurückzuführen ist diese hohe Quote jedoch auf die große Rolle der Wasserkraft bei der Stromerzeugung und auf das Verwenden von Biomasse, beispielsweise Holzreste und Reisschale.
Solar- oder Windkraft und auch Erdwärme werden dagegen kaum genutzt. Bislang fehlten staatliche Anreize. Mit dem soeben angelaufenen Proinfa-Programm soll sich das ändern: Nun wird Windkraft gefördert, Wasserkraftwerke und Biomasse auch. Mit den neuen Energien sollen in den kommenden zweieinhalb Jahren zusätzliche 3.300 Megawatt gewonnen werden.
Die Regierung garantiert Unternehmen die Stromabnahme über 20 Jahre zu attraktiven Preisen und hilft bei der Finanzierung. Besonderes Interesse an Proinfa hat die Windenergiebranche, die bisher nur 27 Megawatt erzeugt. Brasiliens Windkraftpotenzial wird jedoch auf 143.000 Megawatt geschätzt, das Doppelte von Brasiliens derzeitiger Gesamtleistung und zehnmal so viel, wie sämtliche deutsche Windräder produzieren.
Brasiliens Umweltgruppen loben das Programm, doch die Energiepolitik der Regierung kritisieren sie immer noch scharf. Energieministerin Dilma Rousseff, Delegationsleiterin in Bonn, will daran festhalten: Gegen eine Ächtung großer Staudämme, wie sie ein Bündnis von Umwelt-NGOs auf www.irn.org propagiert, wehrt sie sich vehement. Denn die Regierung Lula bevorzugt weiter große Wasserkraftwerke – aus kurzfristigen ökonomischen Gründen. Auf der „Renewables“ will die Ministerin zudem mit Blick auf andere Länder des Südens für brasilianisches Know-how für Treibstoffe aus Biomasse werben: Biodiesel und Äthanol.
Auf dem Nachhaltigkeitsgipfel 2002 in Johannesburg war Brasiliens Delegation eine der aktivsten Gründungsmitglieder einer„Koalition für erneuerbare Energien“. Inzwischen „gehört das Land nicht mehr zur Vorhut“, sagte Sérgio Dialetachi von Greenpeace. Die Regierung stemme sich gegen erneuerbare Energien. Wegen der Verschuldung strebe Präsident Lula nach Wachstum um jeden Preis, meint Ludmila Caminha von WWF-Brasilien.
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