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Farbspiele mit Nervfaktor

Thüringens grüne Spitzenkandidatin Astrid Rothe würde lieber über Inhalte statt über Schwarz-Grün reden. Allerdings befördern die Grünen das Problem selber

BERLIN taz ■ Gewinnen kann manchmal schwieriger sein als verlieren. Jedenfalls für Astrid Rothe, die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Thüringen-Wahl am Sonntag. Wenn nicht alle Umfragen täuschen, steht ihre Partei kurz vor dem Wiedereinzug in den Landtag. „Das ist für uns schon sehr, sehr viel“, sagt Rothe. Schließlich sei man zehn Jahre „in der außerparlamentarischen Opposition gewesen“. Für die 31-Jährige wäre ein Ergebnis über fünf Prozent der größte Erfolg ihrer Politikkarriere. Bisher war sie vor allem durch linke Positionen und als eine von wenigen Gegenstimmen im Grünen-Parteirat bei Entscheidungen über Kriegseinsätze oder die Gesundheitsreform aufgefallen. Doch der Erfolg in Thüringen wird ihr, schon jetzt, im Vorhinein, vergällt – durch machtpolitische Gedankenspiele. Schon ist von „schwarz-grüner Liebelei“ (Spiegel) und „Tabubrüchen“ (SZ) die Rede. Das nervt die grüne Rothe.

Es gelinge ihr kaum noch, über Inhalte zu sprechen – über bessere Kinderbetreuung, über mehr Bildung statt mehr Straßen oder ein „gentechnikfreies Thüringen“, klagt Rothe. „Dauernd werde ich nach irgendwelchen Farbkonstellationen gefragt.“ Es stört sie, sagt sie, dass alle nur eines wissen wollen: Wann gibt’s zum ersten Mal Schwarz-Grün in einem Bundesland? Eine Diskussion, die vor der Hamburg-Wahl im Februar begann und die jetzt durch das Schwächeln der Thüringer CDU befördert wird, die ihre absolute Mehrheit verlieren könnte. Dazu kommt, dass Ministerpräsident Dieter Althaus in der Union als Liberaler gilt. Für Rothe ist das alles Nonsens. Lege man die Parteiprogramme nebeneinander, erkenne man: „CDU und Grüne sind am weitesten auseinander.“

Dass trotzdem so viel von Schwarz-Grün die Rede ist, liegt freilich auch an den Grünen. Zum einen an den Berliner Oberrealissimae wie Bundestags-Fraktionschefin Krista Sager, die gerade erst erklärte: „Ich halte es für wahrscheinlich, dass Schwarz-Grün über kurz oder lang auch auf Landesebene kommt.“ Aber es liegt auch an Rothe, die nur sagt, „im Moment“ halte sie Schwarz-Grün für „ausgeschlossen“. Dabei könnte sie alle Spekulationen, auf ihr Bundesland bezogen, mit einem klaren Nein beenden. Immerhin ist sie Landeschefin, Spitzenkandidatin, und es gehört immer noch zu den ehernen grünen Regeln, dass über Länder-Koalitionen auf Länderebene entschieden wird. Doch hier beginnt das Problem: In Thüringen ist das mit den Ebenen nicht leicht zu trennen. Rothes Kovorsitzende im Land, Katrin Göring-Eckardt, ist gleichzeitig Fraktionschefin im Bund – und schwarz-grünen Optionen gegenüber mindestens so aufgeschlossen wie Sager.

Weil das allgemein bekannt ist, hat Göring-Eckardt bekundet, sie werde auch bei einem grünen Wahlsieg nicht zurück nach Thüringen gehen. In ihrer Umgebung heißt es, dies sei glaubhaft, Göring-Eckardt fühle sich in Berlin sehr wohl. An ihrem Weggang hätten andere allerdings durchaus ein Interesse. Ex-Bundesparteichef Fritz Kuhn zum Beispiel, der sie als Fraktionschef im Bundestag beerben könnte. Voraussetzung: Göring-Eckardt wird doch Ministerin in Erfurt.

Nicht nur deshalb werden in Berlin neben Schwarz-Grün noch andere Optionen für Thüringen erwogen. Kanzler Schröder und Außenminister Fischer sähen es, so heißt es, gern, wenn man die CDU zu Beginn des Wahljahrs aus einer Regierung „wegbekäme“. Das ginge aber, wenn überhaupt, nur mit Rot-Rot-Grün. Das wiederum schließt Rothe aus: „Eine Koalition mit der PDS wird es nicht geben.“ Doch der Druck auf die Landesgrünen dürfte im Fall des Falles steigen. Weil sie das weiß, hat sich Rothe eines vorbehalten: „Wenn es zu Verhandlungen mit anderen Parteien kommt, werde ich sie führen.“ Mit welchem Ziel, verrät sie nicht, aber man darf es ihr schon glauben, wenn sie sagt: „Eine gute Opposition ist auch eine ehrbare Sache.“

LUKAS WALLRAFF

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