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„Ermittlung gegen unbekannt“

Das Bombenattentat in Köln-Mülheim hinterlässt 22 Verletzte, entsetzte AnwohnerInnen und eine rätselnde Polizei. Bisher noch keine Hinweise auf das Motiv

KÖLN taz ■ In der Keupstraße im Kölner Stadtteil Mülheim sieht alles beinahe noch so aus, als wäre die Bombe gerade erst explodiert. Fensterscheiben sind zerstört, Scherben überall auf dem Boden verteilt. Die zehn Zentimeter langen Eisennägel, die über hundert Meter weit durch die Luft geschleudert wurden, hat die Polizei allerdings als Beweisstücke eingesammelt. Was die Beamten nicht schnell genug beiseite schafften, nahmen Neugierige als Andenken mit. Die Ermittlungen vor Ort dauern immer noch an. Bis zu 250 Beamte waren im Einsatz.

Fassungslos stehen immer noch die überwiegend türkisch- und kurdischstämmigen Geschäftsleute und Anwohner auf „ihrer“ Keupstraße. Viele schütteln den Kopf, können nicht begreifen, dass es wirklich einen solchen Gewaltakt in ihrem Viertel gegeben hat. „Diese Bilder werde ich nie vergessen“, sagt ein Augenzeuge. „Alle liefen wild durcheinander, viele waren verletzt oder blutverschmiert. Es war furchtbar.“

Der Sprengkörper, der sich wahrscheinlich auf einem am Gehweg abgestellten Fahrrad befand, explodierte am Mittwoch um 15.58 Uhr. Er verletzte 22 Menschen, vier davon schwer. Bis auf eines wohnte keines der Opfer in der Keupstraße. Sie alle seien „ganz normale Bürger türkischer Herkunft“, berichtet Tobias Clauer von der Kölner Polizei. Durch die Detonation und die umherfliegenden 10 Zentimeter langen Nägel zersplitterten etwa 30 Fensterscheiben an Wohn- und Geschäftshäusern. Fünfzehn Autos wurden „wie von Projektilen“ getroffen und zum Teil schwer beschädigt. Es entstand Sachschaden in der Höhe von mehreren 100.000 Euro.

Über die Hintergründe der Tat und die möglichen Täter tappen die Ermittler noch völlig im Dunkeln. Organisierte Kriminalität? Ein Racheakt? Nazis? Islamistische Terroristen? Die Vernehmung zahlreicher Zeugen habe bislang „keine ermittlungs- oder fahndungsrelevanten Hinweise“ ergeben, berichtet der Einsatzleiter der Kölner Polizei, Dieter Klinger. Ausschließen will er nichts, es werde „in alle Richtungen“ ermittelt. Allerdings betonte Staatsanwalt Rainer Wolf, dass es bisher „nicht die geringsten Anhaltspunkte für einen fremdenfeindlichen oder terroristischen Hintergrund“ gebe.

Deswegen bestünde derzeit auch noch „keine Veranlassung, das Verfahren nach Karlsruhe abzugeben“, sagte Wolf. Die Bundesanwaltschaft ist somit nicht eingeschaltet. Die Untersuchungen gegen unbekannt „wegen mehrfachen Mordversuchs und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion“ würden weiter ausschließlich von der Kölner Polizei in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Düsseldorf geführt. PASCAL BEUCKER FRANK ÜBERALL

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