BUKAVU, KINSHASA: KONGOS HARDLINER TRETEN MILITÄRISCH IN AKTION: Destabilisierung im eigenen Interesse
Es war ein Operettenputsch. 20 Mitglieder der kongolesischen Präsidialgarde, die in der Nacht zu gestern zwei Stunden lang in der Hauptstadt Kinshasa die Macht ergriffen – das reicht nicht aus für einen richtigen Machtwechsel. Die Aktion war eher ein Warnsignal: Mächtige Kräfte in der Hauptstadt und im unmittelbaren Umfeld von Präsident Joseph Kabila sind mit der Richtung des Friedensprozesses nicht einverstanden. Die Putschisten waren Kabilas loyalste Soldaten. Und schon Joseph Kabilas Vorgänger und Vater Laurent-Désiré Kabila wurde von der eigenen Garde umgebracht.
Es ist nicht die erste Destabilisierung des Friedensprozesses im Kongo. Ende März diesen Jahres sorgte eine ähnlich kurzlebige Militärrevolte in Kinshasa bereits für erhebliche Unruhe. Diese erwies sich als heilsam: Die Warlords, die seit 2002 gemeinsam in Kongos Allparteienregierung sitzen und sich dort mit extremem Misstrauen begegneten, rauften sich zusammen und begannen, ihre wichtigsten Streitereien zu klären – zum Beispiel die Aufteilung der Gouverneursposten in den Provinzen, die das wichtigste Element territorialer Herrschaft darstellen.
Genau dies aber führte zu neuen Spannungen – außerhalb der Regierung. Unzufriedene Führer der ehemaligen Rebellenarmeen im Osten, die sich politisch ausgebremst fühlten, schafften es Anfang Juni, mit der Stadt Bukavu eine Woche lang eine 500.000 Einwohner zählende Provinzhauptstadt zu besetzen, bevor massiver diplomatischer Druck sie zum Rückzug bewog.
Die Rebellion in Bukavu war eine gezielte Destabilisierung des Friedensprozesses. Der neue Putschversuch in Kinshasa ist eine ebenso gezielte Destabilisierung – am anderen Ende des Landes und vom anderen Extrem des politischen Spektrums. Die Hardliner unter den Rebellen und nun auch die Hardliner im Lager Präsident Kabilas haben während des Friedensprozesses beide die militärische Option in der Hinterhand behalten – und jetzt haben sie beide ihr Drohpotenzial vorgezeigt.
Wären die jeweiligen Eigeninteressen rein politischer Natur, wären sie vermutlich durch Postenvergabe oder Veränderungen bei der anstehenden Armeereform zu lösen. Aber in Wahrheit geht es um viel mehr: Das Schicksal informeller ökonomischer Machtstrukturen sowohl im Ostkongo wie auch in Kinshasa, die während des Krieges entstanden und bei einem erfolgreichen Fortgang des Friedensprozesses gefährdet wären. Dass diese Fragen jetzt auf die Tagesordnung kommen, bedeutet, dass die entscheidende Machtprobe im Kongo wohl erst noch bevorsteht. DOMINIC JOHNSON
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