piwik no script img

IG Metall gibt Siemens Recht

Gutachten im Auftrag der Gewerkschaft zerschlägt Hoffnung auf Rettung der Siemens-Standorte Bocholt und Kamp-Lintfort. Experten halten Verlagerung der Produktion in den Osten für sinnvoll

VON ALEXANDER FLORIÉ

Schlechte Nachrichten für die Siemens-Mitarbeiter in Bocholt und Kamp-Lintfort: Die Essener Wirtschaftsprüfer Ernst und Young haben in einem Gutachten festgestellt, dass die Kostenunterschiede zwischen den Standorten Bocholt und Kamp-Lintfort sowie dem ungarischen Debrecen auch durch flexible Arbeitszeit nicht ausgeglichen werden können. Die IG Metall hatte das Gutachten selbst in Auftrag gegeben. Siemens hatte im März angekündigt, die Produktion von Handys und schnurlosen Festnetztelefonen in ein neues Werk in Ungarn zu verlagern. In Bocholt und Kamp-Lintfort sollen rund 2.000 Arbeitsplätze gestrichen werden.

Werner Kohlmann, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Kamp-Lintforter Werkes, äußerte sich enttäuscht über das Gutachten: „Tatsache ist, dass die Deckungslücke mit betrieblichen Mitteln nicht zu schließen ist. Das ist Fakt.“ Überrascht habe ihn das Ergebnis aber nicht: „Uns ist schon durch den Besuch in Ungarn klar geworden, was Sache ist. Da haben wir Fakten zur Kenntnis nehmen müssen, die das bestätigt haben, was das Unternehmen uns vorgelegt hat.“

Siemens-Gesamtbetriebsrat und IG Metall wollen jetzt versuchen, eine „politische Lösung“ zu finden, um die Verlagerung der 2.000 Jobs zu verhindern. Dazu soll es in den nächsten Tagen Gespräche geben. Klar sei, dass es für den Erhalt der Arbeitsplätze „Abstriche“ geben müsse, sagte Kohlmann. Da Siemens bereits für Anfang Juli mit den ersten Maßnahmen am neuen Werk in Debrecen beginnen will, ist der Zeitkorridor für Verhandlungen aber eng: „Wir reden hier von den nächsten 14 Tagen.“

Heute trifft sich in Frankfurt die bundesweite Koordinierungsgruppe der IG Metall für die anstehenden Verhandlungen mit Siemens. Dort werde es nicht nur um die Standorte Kamp-Lintfort und Bocholt, sondern auch um die in weiteren Unternehmensbereichen bedrohten Arbeitsplätze gehen, so der Dinslakener IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrich Marschner. Über den Inhalt der Gespräche mit der Bocholter Unternehmensleitung in den vergangenen Tagen schwieg sich Marschner aus.

In den nächsten Tagen wird auch vor Ort weiter verhandelt. Morgen findet das zweite gemeinsame Treffen der IG-Metall-Tarifkommission in Bocholt statt. Dann sollen die Gewerkschafter über die Ergebnisse der Frankfurter Gespräche unterrichtet werden. Am Freitag folgt ein bundesweiter Aktionstag gegen die Unternehmenspläne. Kundgebungen seien auch in Bocholt und Kamp-Lintfort geplant, sagt Ulrich Marschner: „Alles, was Druck auf den Kessel bringt, wird unser Anliegen positiv unterstützen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen