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ENTWICKLUNGSLÄNDER KÖNNEN MACHTVERHÄLTNISSE IN DER WTO ÄNDERNAuferstehung eines Scheintoten

Nicht bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf, sondern im brasilianischen São Paulo werden derzeit die Weichen gestellt, die die verfahrenen Welthandelsgespräche wieder in die richtige Richtung lenken könnten. Auf der Jahresversammlung der UN-Handelskonferenz Unctad wurde ein wegweisendes Abkommen über den Süd-Süd-Handel auf den Weg gebracht.

Lange war die 1964 als Interessenvertretung der Entwicklungsländer gegründete Unctad scheintot. Ihr großer Wurf einer „neuen Weltwirtschaftsordnung“ aus den Siebzigerjahren, deren Kern ein Programm zur Stabilisierung der Rohstoffpreise sein sollte, war grandios gescheitert. Die Rohstoffabkommen etwa für Kaffee oder Zinn sind kollabiert. Heute lenkt die WTO die Weltwirtschaft.

Doch jetzt kommen laute Lebenszeichen von der Unctad. Endlich macht sie wieder konkrete Vorschläge für die Gestaltung der Weltwirtschaft zum Nutzen des Südens. Die bauen auf einem lange in Vergessenheit geratenen Unctad-Abkommen zum Süd-Süd-Handel auf: dem allgemeinen Präferenzsystem, durch das Entwicklungsländer einander erleichterten Marktzugang gewähren sollen.

Die Industrieländer haben völlig unbeabsichtigt einen Beitrag zur Wiederbelebung der Unctad geleistet. Durch ihre maßlosen Forderungen an den Süden, seine Märkte einseitig zu öffnen, hatten die USA und die EU im vergangenen Jahr vor der WTO-Tagung in Cancún die Gründung des mächtigen Entwicklungsländerblocks G 20 provoziert. Die G 20 ist unter der Führung von Brasilien, Indien und China inzwischen ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner der Industrieländer.

Kleinere, schwächere Entwicklungsländer fühlen sich allerdings zunehmend ausgeschlossen, weil sie ihre speziellen Schutzbedürfnisse kaum berücksichtigt sehen. Die G 20 muss die dadurch drohende Spaltung der Entwicklungsländer verhindern. Gelingt ihr das mit Hilfe der Unctad-Initiative, dürften sich die Machtverhältnisse innerhalb der WTO endgültig zugunsten des Südens verschoben haben. Dann besteht erstmals die Chance, dass die Welthandelsgespräche von Doha zu einem Abschluss kommen, der auch den Entwicklungsländern nützt. NICOLA LIEBERT

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