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Wenn der Neue auf den Alten trifft

Parteichef Müntefering hält Kurs. Als wäre das nicht hart genug, trifft er gestern auch noch Vorgänger Lafontaine

BEXBACH/MÜNCHEN taz ■ Zum Abschluss des Wochenendes also auch noch Lafontaine. Müntefering ist dieser Tage nicht zu beneiden. Vor den heute beginnenden Beratungen der SPD-Spitze über Konsquenzen aus den letzten Wahlniederlagen werden die Forderungen nach einem Kurswechsel immer lauter. Das war am Samstag bei den Jusos in München so und sollte auch am Sonntag bei der Saar-SPD nicht anders sein. Oskar Lafontaine hatte sich angemeldet.

Also endete der Sonderparteitag der Saar-SPD in der blechernen Hydrostar-Halle am Rande von Bexbach mit einem Rededuell. Die erste öffentliche Begegnung eines führenden SPD-Bundespolitikers mit dem fahnenflüchtigen Lafontaine war kurz: ein Händedruck, für die Fotografen vielleicht eine Zehntelsekunde länger als nötig, ein Lächeln, Münte noch mild, Oskar verschmitzt. Und Schluss.

Müntefering ließ Berlin und Saar erst einmal außen vor und empfahl das „europäische Sozialstaatsmodell“ als Garantie für künftigen Wohlstand. Und er verteidigte sowohl die Regierungsreformen als auch den Ausbildungspakt, gegen den vor der Tür Gewerkschafter protestierten: „Wir haben nicht nur Gold zu verteilen.“

Oskar Lafontaine honorierte Münteferings Rede mit Minimalbeifall. Dann wetterte er seine Replik. Die SPD habe „ihre eigene Sprache verloren“ und benutze „Wörter der Täuschung und der Lüge“. Gespart werde zulasten der Kleinen, genannt werde das aber anders. Agenda 2010 sei ein Wort aus „der Werbebranche“ und „irreführend“, denn es meine Sozialabbau.

Müntefering reagierte routiniert und blieb hart auf Regierungskurs. Man habe seit 1998 viel erreicht, aber „das Wünschbare“ sei „nicht immer das Machbare“. Er bot den Dialog mit der Parteilinken an: „Ich will keine Partei, die ruhig ist.“ Dann ging er – ohne Händedruck.

Lafontaine war am Morgen leise und unauffällig gekommen, hatte fein gelächelt, Küsschen verteilt. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 5. September, Heiko Maas, lobte die heimische Kommunalpolitik, geißelte die Berliner Koalition und die hiesige CDU-Landesregierung gleichermaßen. Das gefiel dem Exministerpräsidenten und Exbundesfinanzminister gut. Lafontaine empfahl sich, als sei er selbst der bessere Kandidat: so freiweg lauthals und populistisch wie eh und je. Die Frage nach seiner aktiven Rückkehr in die Politik ließ er offen: „Wieso? Ich bin doch da!“

Das war also Münteferings Sonntag. Da hatte er schon von Sigmar Gabriels „Aktionsplan 2005“ gehört. Michael Sommers Brief an den Bundeskanzler gelesen, in dem der DGB-Chef die Rücknahme der Arbeitsmarktreformen forderte. Und auch Wolfgang Tiefensees Klage über die Marginalisierung der SPD im Osten vernommen. Alle wollen sie Korrekturen. Doch Müntefering hält den Kurs, jedenfalls sagt er das immer wieder.

Wohin Franz Müntefering mit der darbenden Volkspartei steuern möchte, ließ er bereits auf dem Juso-Bundeskongress in München durchblicken: „Ich will, dass die Sozialdemokraten die Mindestbesteuerung neu in Angriff nehmen“, forderte der Parteichef am Samstag. Er habe weiterhin den Plan, dass Unternehmen mindestens die Hälfte ihres Gewinns versteuern müssten. Nach dem erst im Dezember im Vermittlungsausschuss beschlossenen Gesetz werden bislang nur mindestens 40 Prozent der Gewinne besteuert.

Aber auch Politiker von CDU und CSU hätten sich über Vodafone aufgeregt und darüber, wie der Konzern wegen der Mannesmann-Verluste Milliarden weniger Steuern zahlen wolle. Jetzt solle die Union Farbe bekennen, forderte Müntefering. Einen konkreten Fahrplan gebe es aber noch nicht.

Es könne nicht angehen, dass sich das gesamte Leben nach den Unternehmen richte: „Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht umgekehrt!“, rief Müntefering. Der Vorsitzende der Mutterpartei sprach damit den Jusos aus dem Herzen. Die hatten mit Björn Böhning gerade einen neuen Vorsitzenden gewählt und bleiben auf Linkskurs. Sie fordern neben einer solidarischen Bürgerversicherung auch eine höhere Erbschaftsteuer und das Ende der Wehrpflicht. Böhning war mit 70 Prozent Zustimmung zum Nachfolger von Niels Annen bestimmt worden.

Kritik an der Parteiführung durfte Müntefering gleich mitnehmen. Es gehe nicht an, dass sich die Parteivorderen über Beschlüsse hinwegsetzten. „Der SPD fehlt der Mut, diese Gesellschaft solidarisch zu verändern“, konstatierte der Juso-Chef und forderte: „Arbeiterlieder beschwören reicht nicht!“ Die Reaktionen nach dem EU-Wahldebakel hätten gezeigt, „dass alle wichtigen Funktionsträger in der SPD die Krise der Partei nicht erkannt haben“.

Müntefering forderte dagegen, „realistisch“ zu bleiben. „Das erste Unternehmen, das wegen der Erbschaftsteuer kaputtgeht, wird uns Kopf und Kragen kosten.“ Doch trotz einiger heftiger Gegenreden gab er dem Nachwuchs Ansporn und Warnung mit auf den Weg: „Ihr könnt euch auf mich verlassen. Wenn ich Recht habe, bin ich hartnäckig.“ Wenn die SPD-Spitzen heute aufeinander treffen, wird er das erneut beweisen müssen. HEIDE PLATEN, MAX HÄGLER

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