: Folterandrohung kommt vor Gericht
Der ehemalige Frankfurter Polizei-Vize Wolfgang Daschner wird angeklagt. Er hatte vor knapp zwei Jahren einen untergebenen Hauptkommissar angestiftet, dem Entführer des Bankierssohns Jakob von Metzler mit schweren Schmerzen zu drohen
AUS FRANKFURT HEIDE PLATEN
Der ehemalige stellvertretende Frankfurter Polizeichef Wolfgang Daschner muss sich vor Gericht verantworten, weil er dem Entführer des Bankierssohns Jakob von Metzler schwere Schmerzen angedroht hat. Diese Entscheidung verkündete gestern die 27. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts, die damit der Staatsanwaltschaft folgte. Mitangeklagt ist ein 50-jähriger Kriminalhauptkommissar. Ihm wird schwere Nötigung unter Missbrauch der Amtsbefugnisse vorgeworfen, seinem Vorgesetzten Daschner wird zudem die „Verleitung zu der Tat seines Untergebenen“ angelastet.
Auf Anweisung von Daschner hatte der Beamte dem Entführer und Mörder des 11-jährigen Bankierssohns im Oktober 2002 mit körperlicher Gewalt gedroht, falls er nicht gestehe, wo er das Kind versteckt habe. Jakob von Metzler lag zu diesem Zeitpunkt schon ermordet in einem Waldsee. Daschner hat immer wieder betont, ihm sei es allein darum gegangen, das Kind noch lebend zu finden. Er hielt den Vorgang in einer dienstlichen Notiz fest.
2003 wurde der Entführer Magnus Gäfgen zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Verteidigung hatte während des Mordprozesses allerdings geltend gemacht, dass Gäfgens Geständnis nicht gewertet werden könne, weil es durch Folterandrohung zustande gekommen sei. Der ehemalige Jurastudent, der nach der Lösegeldübergabe festgenommen wurde, hatte zuerst falsche Verstecke genannt und Bekannte der Tat beschuldigt. Polizeihundertschaften suchten daraufhin fieberhaft und vergeblich Waldstücke rund um Frankfurt ab. Am frühen Morgen des 1. Oktober 2002, so berichtete Gäfgen später seinem Rechtsanwalt, sei ihm von einem Vernehmer dann damit gedroht worden, dass ein polizeilicher Kampfsportler ihm schwere Schmerzen zufügen werde, wenn er den Aufenthaltsort des Kindes nicht nenne. Kurz danach führte er die Polizei zur Leiche von Jakob von Metzler. Er hatte das Kind schon vier Tage zuvor, direkt nach der Entführung, erstickt. Daschner gab den Tod Jakob von Metzlers mittags, sichtlich bewegt, in einer Pressekonferenz bekannt.
Nachdem die Folterdrohung bekannt wurde, hatten sich bundesweit Juristen und Menschenrechtler dagegen gewandt, das Folterverbot aufzuweichen. Die Antifolterkonvention der Europäischen Menschenrechtskommission verbietet dem Staat, Aussagen durch körperliche oder seelische Gewalt oder gar Folter zu erzwingen. Notstandsrechte werden zwar dem Bürger, nicht aber der Polizei zugestanden. Der Rechtsprofessor Klaus Günther schrieb dazu, dies sei „der kulturübergreifende, universelle Kern der Menschenrechte“. Am Folterverbot müsse festgehalten werden, „auch wenn das bedeutet, Tragödien nicht verhindern zu können“.
Frankfurts Polizeipräsident Harald Weiss-Bollandt dagegen rechtfertigte Daschners Vorgehen. Sein Stellvertreter habe aus einem Notstand heraus gehandelt. Auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch äußerte „Verständnis“.
Die Ermittlungen gegen Daschner haben bereits im Februar 2003 begonnen. Nach der Anklageerhebung wurde er – kurz vor dem Rentenalter – in die Verwaltung des Landespolizeipräsidiums versetzt. Er muss bei einer Verurteilung „im besonders schweren Fall“ mit einer Haft von zwischen sechs Monaten bis zu fünf Jahren rechnen (§ 240,1 StGB). Aussageerpressung, so die Staatsanwaltschaft, liege jedoch nicht vor, weil es den beiden Beamten nicht primär um das Geständnis, sondern um die Rettung des Kindes gegangen sei. Mit dem Prozess, so das Landgericht, sei frühestens im November 2004 zu rechnen.
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