: Renaissance der Feuerbergstraße
Unbegeleitete minderjährige Flüchtlinge werden zurzeit im ehemaligen Kinderknast Feuerbergstraße untergebracht, weil der Migrantenstrom wieder zugenommen hat. Der Flüchtlingsrat kritisiert den Umgang mit den Kindern
Deutsche raus – Ausländer-Kinder rein! Oder: Wenn wir den Knast schon haben, sollte man ihn auch nutzen. Nach diesem Motto verfahren offenbar zurzeit die Innen- und die Sozialbehörde, wenn es um die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge geht – also Kinder unter 18 Jahren, die ohne Begleitung von Erwachsenen in Hamburg Zuflucht suchen.
24 solcher Flüchtlingskinder befinden sich zurzeit in der Obhut des Kinder- und Jugendnotdienstes (KJND) in dem ehemaligen geschlossenen JugendheimFeuerbergstraße, gesteht der Senat auf Anfrage der Linken offiziell ein. „Auch wenn die Jugendlichen nicht den bisherigen suboptimalen Bedingungen ausgesetzt sind, ist die Unterbringung in der Feuerbergstraße mehr als pietätlos“, sagt eine Insidern.
Der Jugendknast Feuerbergstraße, einst unter dem rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill eingerichtet, hatte jahrelang für Schlagzeilen gesorgt und einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf sich gezogen. Kriminelle Kids wurden weggesperrt und ruhig gestellt statt pädagogisch betreut. Inzwischen ist der Kinderknast geschlossen worden.
Jetzt erlebt das Gebäude als Flüchtlingsheim eine fragwürdige Renaissance. „Die Unterbringung im Gebäude der ehemaligen geschlossenen Unterbringung Feuerbergstraße, das noch mit einem monströsen Zaun gesichert ist, ist ein furchterregender Empfang für junge Flüchtlinge, die oft von Flucht und Hafterfahrungen traumatisiert sind“, kritisiert Hermann Hardt vom Flüchtlingsrat.
Zudem sei der KJND gar nicht zuständig, sagt Hardt. „Er ist auf eine ganz andere Zielgruppen ausgerichtet.“ Der KJND soll verwahrlosten oder bedrohten Kindern in Not zur Hilfe kommen. Er ist jedoch immer wieder ins Gerede gekommen, weil er wegen Personalnot zum Beispiel 2005 den Leidensweg der verwahrlosten Jessica in Jenfeld nicht erkannte – die dann starb. Auch die Gefährdung der Deutsch-Afghanin Morsal Obeidi, die schließlich von ihrem Bruder umgebracht wurde, schätzte er falsch ein.
Für die GAL-Innenpolitikerin Antje Möller ist die Unterbringung der Flüchtlings-Kids aufgrund des neuerlichen starken Flüchtlingsstroms nur eine Notlösung: „Das ist allerhöchstens eine Übergangslösung“, beteuert Möller. Sie werde diese Woche die Erstaufnahme-Einrichtungen inspizieren. „Priorität hat die Unterbringung in Wohngruppen“, versichert Möller.
Dass es zu diesem Engpass gekommen ist, liegt nach Ansicht des Flüchtlingsrats und des Linkspartei-Bürgerschaftsabgeordneten Mehmet Yildiz an der Politik des Senats. In den vergangenen Jahren seien unbegleitete Flüchtlingskinder durch willkürliche Altersfestsetzungen älter gemacht worden, um sie leichter ins Heimatland abschieben oder in andere Bundesländer verschieben zu können.
2008 hätten die Behörden die Hälfte der 164 eingereisten Jugendlichen aus Afghanistan, Irak, Iran oder Afrika durch „Altersfiktivfestsetzung“ auf 18 Jahre taxiert, um ihnen eine Obhut in Hamburg verweigern zu können. MAGDA SCHNEIDER
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