: Lecker snacken
Die Blauen sind sexy. Und die Roten erst! Vor allem sind’s viele. Man muss sie nur zu nehmen wissen, all die europäischen Spitzenkicker. Eine feministisch unkorrekte Klarstellung vor dem morgigen EM-Finale
VON JASNA ZAJCEK
Ach, kann eine Fußballeuropameisterschaft wunderbar sein. Wenn frau ihren Blickwinkel ändert und sich selbstbewusst auf klassisch-männliches Niveau herablässt, wird das Turnier zum Fest der Sinne. Eben das wir die vergangenen drei Wochen genießen konnten – und morgen das Finale erst recht!
Bevor böse Diskussionen aufkommen: Selbstverständlich haben auch Frauen Vergnügen an handwerklich tollem Fußball und an – mal trickreichen, mal tollpatschigen – Fouls. Sich Hintergrundwissen anlesen, Spiele schauen, Abseits erkennen und mit Kumpels über das Gesehene fachsimpelnd plaudern, übersteigt mitnichten den intellektuellen Horizont unseres Geschlechts.
Es ist nur einfach nicht so interessant, sich unter Horden von verbalen Möchtegernbundestrainern auch noch als Hobby-Rudi-Völler (oder womöglich als sein potenzieller Nachfolger) zu betätigen. Bieten die europäischen Fußballprinzen doch viel mehr als lediglich zu interpretierendes Spiel!
Je nach Lebenslauf und familiärer Prägung sehen auch Frauen gerne Sport in Perfektion, alles in allem. Sport ist etwas Wunderschönes, weil er in reinster Form den Sieg des Geistes über die – toptrainierte – männliche Materie darstellt. Und lebhaft, sogar herzergreifend wirkt, wenn Temperament Geist und Körper überflügelt und frau somit gestattet, in Männerseelen hineinzuschauen.
Wo geht das dezenter, leichter und internationaler als beim Finalturnier der besten europäischen Nationalmannschaften?
Menschen, die jahrzehntelang für elegantes und im Idealfall treffsicheres Spiel trainiert und bezahlt werden, sollten es können: faszinieren. Und auf diese Weise den Europöbel mit der Eurointelligenzia versöhnen – Letztere schaffen es, ihr geziertes Tun für knapp einen Monat in der Kiste lassen. Stattdessen gelten Tugenden, die gewöhnlich als banal oder übertrieben oder abschreckend wirken. Teamgeist, Heldentum und Aufopferungswille, Hingabe!
Genau das wollen wir sehen, und neben den riesigen Geldmengen dürfen auch die Armanibriten, wie wir gesehen haben, nicht vergessen, dass Dabeisein das Wichtigste ist. Fußballerische Technik begeistert in Perfektion, das Rumgeprügele in ganzer Rohheit: Erinnerungen an jene Epoche, als Wald- und Wiesenmänner um Höhlenfrauen buhlten … warum denn nicht.
Und wenn sich, dann und wann, in den hellen Hosen geballte Kraft abzeichnet, der Traumarsch im eingenähten Slip das Aug’ erfreut – ooh, manch eine wusste bislang noch nicht, dass sie für derlei Dinge empfänglich ist! Schön, dass die anderen noch echte Kerle sind. Hitzigkeit, Leidenschaft, Kampfeswillen – nicht nur im Sport begehrenswerte Eigenschaften. Hierzulande, im täglichen Miteinander, ein Glücksfall: Denn diese Eigenschaften sind ja verpönt.
Die These sei gewagt: Da sich der deutsche Mann das Maskuline seit gut fünfzig Jahren abgewöhnt, wissen manche Damen nicht mehr, was sie vermissen könnten. Da eröffnet eine EM Horizonte! In Großaufnahme ist unschwer zu erkennen: Die Welt hat noch anderes im Angebot als unsere Krauts. Zweifelt nicht jede noch so hormonell ausgeglichene Frau am sanft-emanzipierten deutschen Männerangebot, wenn Figo und seine Mannen preschen?
Persönlich gehöre ich nicht zu jenen, die Männer zum Vergessen ihres primitiven Moments als Tribut an die Zivilisation treiben – zumindest nicht bei Jungchen, die man, hätte man sie in ihrem Heimatland getroffen, locker hätte vernaschen können. Darum geht es bei der EM, wenn man sie mit aufgeschlossenen FreundInnen zu schauen pflegt, darum ging es unseren großen Schwestern, als sie emanzipatorisch für uns kämpften.
Internationaler Fußball hat sich vom Prollsport zum Fest der Sinne gewandelt – weil auch wir zu gucken wissen, Töchter des Feminismus, die nicht nur mitgucken, sondern eine eigene Sicht haben. Oder liegt es daran, dass früher nur Spieler wie Uwe Seeler, Dino Zoff oder Johan Cruyff teilnahmen? Und dass es ein Gewinn ist, wenn aus den früheren Kolonien der Niederlande, Englands oder Frankreichs ihre Nachfolger kommen?
Guter bis exzellenter Fußball wird von jungen Männern gespielt, voll Tatendrang und Energie. So wie Kicker ihrem Naturell folgen, wenn sie Ball und Gegner treten, so gönnt frau sich zur EM den natürlichsten aller Späße: Multikultijungobjekte gucken.
Wer mag, darf schimpfen: Ja, wir lassen uns sogar auf das Niveau von notgeilen Damenbeachvolleyballfans herab. Aber warum das nicht ein wenig auskosten, zuschauen, mitfiebern. Nur nicht in die falschen, in die Loser verknallen! Wer auf Wayne Rooney setzte, sah ganz schön alt aus nach dem Viertelfinale. Jedenfalls sind Fußballer, ohne schlechtes Gewissen, schicke Snacks, Zwischenhappen. Nicht zum Plaudern. Nur Männer, die man in einer Urlaubsnacht gerne mit der allerbesten Freundin teilen würde.
Seinen vollen Reiz entfaltet das Turnier, wenn man es als Grand Prix der Euromänner zu nehmen weiß. Überpünktlich einschalten, bitte, sonst verpasst frau Aufwärmübungen, dort am schönsten die hilflos-sexy Rückenlage bei gespreizten Beinen! Beamereinsatz ist obligat, erst dann kicken eine ganze Menge Jungs weit besser als Beckham: die Close-ups auf verschwitzte Nacken (zwei mal elf Stück!), glänzende, hochgerutschte Shorts und pulsierend anschwellende Halsschlagadern kommen erst auf zwei mal drei Metern gut.
Wem das zu stumpf, zu triebhaft ist: Auch den Emotionen, die sich lebhaft in den Augen der jugendlichen Spieler zeigen, wird durch einen Beamer Raum zur Entfaltung gegeben.
So fällt es leichter, den Mann als Ganzes, nicht nur als Trainingszustand oder Hülle zu begehren. Frau lernt dazu über das Leben in Europa, zum Beispiel, dass sich Skandinavier nach Toren nicht bespringen oder Purzelbäume schlagen, sondern zueinander laufen und sich in der Fankurve lieb und lobend an Kopf und Schultern fassen.
Dieses Verhalten findet ein schwuler Freund doof, sprich: zu zivilisiert. Er verlässt immer angeregt den Raum, nachdem die portugiesischen Jungens übereinander gesprungen und -hergefallen sind. Es sind die Turnhöschen, die kräftigen Hintern, die muskulösen Beine, kurz: geballte Virilität, die ihn so kirre macht. Aber er mag am Fußball auch das Spiel, denn wie sich die Jungs im harten Zweikampf an den Trikots bezupfen, sich schubbern und anfassen, das sieht er gerne.
Wir Girls auch. Er, der ohnehin der Meinung ist, dass viele Schwule sich nicht nur im Sport unter barscher Härte verstecken, hofft, dass Fußball Männerherzen weiter öffnen wird. Zumindest, dass Hautkontakt und Angefasse im arabischen Stil auch bei uns in Bälde akzeptabel wird.
Wieso mussten die französischen Milchkaffeejungs so schnell nach Haus? Henry! Desailly, die Gazelle mit Schweißrinnsal an sehnigen Innenschenkeln, einsehbar, als er am Boden lag! Ach, Kluivert ist ja noch im Spiel. Hübsches Gesicht, knackige Farbe und bestimmt nicht nur auf dem Rasen gut.
Überhaupt, Kolonialerbschaften, Portugal, Lissabon: Fast jede anwesende Frau hat dazu eine Anekdote parat – so romantisch die Stadt, so heiß die kleinen, engagierten Lokale. Lisboetas sind sogar ohne den spanisch-italienisch-griechischen, teils überdrehten Machismo erhältlich, trotzdem unermüdlich und humorvoll. Welcher Junge hat jetzt den Ball? Das Tempo! Die Schenkel! Herrlich. Griechenland, da hat schon jede mal gepunktet. Der Yannis, der Costas, der Dimitrios. Wir waren so jung und der Wein so schlecht … Köstlich!
Ah, Tschechen, da kennen sich Leute aus dem Osten aus. Weshalb nur tragen sie alle so komische Frisuren? Meine Mitguckerinnen disqualifizieren sie deshalb. Die Jungens schwärmen von der Natürlichkeit, der Unvoreingenommenheit und der Experimentierfreunde der Tschechen. Aber warum sieht der gelockte Shootingstar Milan Baros nur aus wie ein debiler Löwe?
Nicht so hübsch, genauso wie die Letten, Bulgaren und die Russen („Sind intim bestimmt fürchterlich behaart“). Italien hingegen, da wollten alle gleich ihre Bestellliste an herdamit@fifa.com abgeben: „Ja, ja, ja, ich hätt dann gern die Nr. 3, die 5, die 6 und die 7.“ Wie man aus „Kicker Online“ weiß, sind die alle so zwischen 1,73 und 1,85 Meter groß. Ob die Kondition was taugt? Oder spielen sie auch im wahren Leben nur auf den schnellen Abschluss?
Zum Ende hin wird es noch einmal spannend. Endlich tauschen die Europrinzen T-Shirts aus. Der Durchschnitt hat 75 kg bei 1,80 Metern, eigentlich schick, trotz dünner Ärmchen. Warum zieht der Torwart sich nicht aus?
Wer mag eigentlich das jugendliche Pummelchen, den kleinen Brummer Wayne Rooney. Wird er einen saftigen Stiernacken wie Gascoigne bekommen, später? Oh, armer Prolet, hat sich den Fuß gebrochen, egal, sein Poserteam hat’s eh nicht bringen können. Voll männerfeindlich, die Klassifikation, bis zum 4. Juli. Cool. Das Beste: Schuld sind allein sie selbst.
JASNA ZAJCEK, 30, momentan Praktikantin im taz.mag und ansonsten Sexkolumnistin des Berliner Stadtmagazins 030, freut sich auf die Olympischen Sommerspiele im August in Athen und empfiehlt als Höhepunkte: Turmspringen, Schwergewichtsboxen, Hammerwerfen
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