a última verdade: Kick mit Karl May
DAS WORT AUS DEUTSCHLAND: Unterschätze nie einen Außenseiter, nur weil er eher fürs Speerwerfen bekannt ist!
Dass Klekih-Petra mit seinen Jungs vor Sonntag nach Hause fährt, das hätte ich dann doch nicht gedacht. Aber wenn die Griechen auch einfach ihr Tor zugipsen … Jetzt sitzt also der kleine Tomas Rosicky schon in der Maschine, pustet sich die Ponyfransen aus der Stirn, denn die Angeber-Gelfrisur hat er bei der Frustdusche nach dem Spiel gleich weggespült, neben ihm hat sich der lange Koller zusammengeklappt, und beide überlegen, was sie als Resümee mit nach Dortmund nehmen können. Vielleicht: Unterschätze nie einen Außenseiter, nur weil er eigentlich mehr fürs Speerwerfen bekannt ist. Oder: Lauf schneller. Oder was der weiße Apache ihnen sonst noch so geraten hatte.
Wie rührend altmodisch ist dieser Spitzname überhaupt! Daran sollten sich die anderen Euro-Mannschaften mal ein Beispiel nehmen. Italien könnte Giovanni doch vielleicht Ntscho-Tschi nennen anstatt Nervensäge. Portugal könnte sich am Sonntag von Atahualpa coachen lassen, um in der Indianertradition zu bleiben, wenn auch diesmal in der südamerikanischen (und nicht in der Radebeul’schen). Für Schweden wäre Simon and Garfunkel passend, noch besser Sonny and Cher. Aber Schweden, ach ja, Schweden, denen guckt jetzt ja auch wieder keiner mehr zu.
Es ist traurig, wie der Informationsfluss aus den mitspielenden Ländern so abrupt versiegt, wenn ein Team ausscheidet. Kurz sieht man sie noch weinen, am nächsten Tag spielt ein mitleidiger Radiomoderator den O-Ton eines Kommentators ein, dessen traurige Stimme bei der Niederlage sogar in einer fremden Sprache schier vor echten Tränen durchsuppt. Dann sieht man in den Sportnachrichten vielleicht noch ein Bild von einem betretenen, zurücktretenden Trainer. Und dann ist der Spuk vorbei, und Lettland ist nur wieder durch das Nette-Letten-Lied und seine Bernsteinfunde bekannt, und die Schweiz ist nur wieder irgendein schwer zu verstehendes, reiches und pünktliches Bergvölkchen. Aber ich werde es diesmal nicht so weit kommen lassen. Ich habe mir vorgenommen, eine Nach-EM-Reminiszenzenwoche einzuführen, in der ich an jedem Tag einen persönlichen EM-Favoritenspieler Revue passieren lasse und dazu Fakten aus seinem Heimatland referiere. Für Lettland wird das, voraussichtlich am Montag, Andrejs Rubins werden, der Blonde aus dem Mittelfeld, der am wenigsten nach Parttime-Drogenhändler aussieht. Und einige interessante News über das Land habe ich auch schon gepaukt: Das lettische Nationalinsekt ist seit 13 Jahren der Zweipunkt-Marienkäfer. Mehr muss man doch wohl wirklich nicht wissen. Dienstag beschäftige ich mich mit Bulgarien, ich habe mir bereits ein kleines, feines bulgarisches Nationalgericht für den Abend herausgesucht: Kavyrma. Pro Person braucht man dazu knapp 500 g Schweinefleisch, 200 g Kalbsleber, drei Pfefferschoten, zwei Zwiebeln, zum Schmieren eine Tasse Schweineschmalz und einen Hauch Petersilie, die gibt die nötige Leichtigkeit. (Wenn dieser Diätplan auch für die Nationalmannschaft gilt, wird mir einiges klar.) Falls ich Mittwoch noch am Leben bin, ist England dran. Nur Deutschland werde ich in der Reminiszenzenwoche aussparen. Über die weiß ich schon zu viel. JENNI ZYLKA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen