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lost in lusitanienLiberos Fossilis

MATTI LIESKE über eine Reise zu den Sternen, Steinzeitfußball und seine Angst vor einem Bundestrainer Otto Rehhagel

Als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vor vier Jahren schon einmal händeringend nach einem Bundestrainer suchte, winkte Otto Rehhagel, damals noch beim 1. FC Kaiserslautern, dankend ab. Ob er das hohe Amt tatsächlich nicht haben mochte oder doch nur ein bisschen ausführlicher gebauchpinselt werden wollte, ließ sich nicht abschließend feststellen, denn die Taskforce zur Bestellung eines Retters für den deutschen Fußball strich ihn überaus bereitwillig von der Liste der Kandidaten und hütete sich, ihn noch weiter zu drängen. Erneuerung war damals gefragt nach dem EM-Debakel und der traurigen Ära von Erich Ribbeck, jemand wie Otto Rehhagel galt da als viel zu antiquiert, borniert und eindimensional. Ein Fossil aus den vorsintflutlichen Zeiten des Fußballs, mit dem vor allem die Bayern-Spitze, welche kommissarisch die Federführung bei der Trainersuche übernommen hatte, ihre eigenen leidvollen Erfahrungen besaß.

Vermutlich geschah es damals, dass sich Otto Rehhagel schwor, bittere Rache üben zu wollen und den europäischen Fußball zur Strafe um 20 Jahre zurückzuwerfen – mindestens. Manndecker, Libero, all jene schönen Utensilien aus der Mottenkiste, kramte er für sein griechisches Team wieder heraus und schaffte es damit nicht nur bis zur Europameisterschaft, sondern auch noch zur Sensation des Turniers. Und zwar keineswegs auf die eher klammheimliche Art, wie das deutsche Team bei der letzten Weltmeisterschaft, wo Ballack, Kahn und Konsorten das Herauswerfen der stärksten Konkurrenten dankend anderen überließen, sondern Aug’ in Aug’ mit den europäischen Fußballmächten wie Spanien, Frankreich, Tschechien, die er allesamt im Staub seiner Stiefel zurückließ.

Seit je hatte Rehhagel für die Diskussionen über taktische Systeme, Viererketten, Verschieben, ballorientierte Gegnerdeckung und ähnliches nur Verachtung übrig gehabt, sein Lieblingszitat ist stattdessen der Horst Hrubesch zugeschriebene Satz: „Modern ist, wer gewinnt.“ Ein Spruch, mit dem er nach Auskunft seines Stürmers Angelos Charisteas auch die griechischen Spieler befriedete, als diese offenbar besorgt anfragten, ob ihr Vorgehen denn nicht arg unzeitgemäß sei.

Scheinbar haben sie ihm geglaubt, und überall, wo man Otto Rehhagel glaubt, hat er Erfolg. Das war in Bremen so, in Kaiserslautern und jetzt in Griechenland. Die Frage ist, ob ihm auch die deutschen Nationalspieler glauben würden, oder ob sie ihn, wie einst die Bayern-Cracks, hinter seinem Rücken verspotten und lächerlich machen würden. Doch das Schicksal will es, dass Ottos Reise zu den Sternen just zu einem Zeitpunkt stattfindet, da man in deutschen Fußballkreisen schon aus lauter Hilflosigkeit bereits den Reiz der Vergangenheit entdeckt hat und allen Ernstes beginnt, über die Wiedereinführung des Libero zu debattieren. Rehhagel und sein Erfolg kommen in dieser Situation wie gerufen, und diesmal fragt und drängelt man ihn tatsächlich ständig – jedenfalls die in Portugal befindliche deutsche Presse. War seine Antwort vor ein paar Tagen, als er noch glaubte, Hitzfeld werde es sowieso machen, stets ein deutliches Nein, erklärte er nach dem 1:0 gegen Tschechien, dass er darüber momentan nicht rede, weil seine ganze Konzentration seiner Mannschaft und dem Finale gegen Portugal gelte.

Das klang verdächtig nach einem Ja – und logisch wäre es von seiner Seite aus allemal. Griechenland war für Rehhagel nach seinem unrühmlichen Abschied in Kaiserslautern vor drei Jahren die Möglichkeit, am Ball zu bleiben, als ihn in der Bundesliga, wo junge Trainer gefragt sind, kaum noch jemand wollte. Dass der Job sich als derart ideale Plattform erweisen würde, seinen Ruf aufzupolieren und ihm europaweit – er würde sagen, weltweit – Glanz zu verschaffen, hätte er sich niemals träumen lassen. Jetzt Trainer der Griechen zu bleiben, wäre unsinnig. Der Erfolg dieser EM ist nicht wiederholbar, die Beispiele der WM-Überraschungen Türkei und Deutschland zeigen, wie flüchtig der Ruhm solcher unverhofften Höhenflüge ist. Schon die Qualifikation für die WM 2006 dürfte zum Stolperstein werden, warum sollte sich Rehhagel der Gefahr aussetzen, seinen mythischen Status in Griechenland kläglich zu verspielen.

Für die deutsche Nationalmannschaft wäre Rehhagels Inthronisation indes fatal. Ein Defensivsystem, wie er es praktiziert, kann kurzfristig bei einem Turnier funktionieren, wenn sich die Mannschaft in eine Art Rausch spielt. Auf Dauer ist es kaum konkurrenzfähig. Zudem braucht man genau die richtigen Spieler. Im EM-Finale stehen ja keine Gurken, die ein genialer Rehhagel in eine Wundermannschaft verzaubert hat, sondern die Griechen sind in der Breite deutlich besser besetzt, als es etwa das DFB-Team in Portugal war. Was dieses braucht, ist jemand, der Rudi Völlers Weg fortsetzt, die Mannschaft zügig weiter verjüngt, vor allem in der Abwehr, und ihre behäbige Spielweise durch modernen Tempofußball ersetzt, wie ihn zum Beispiel die Portugiesen vorführen – hoffentlich auch morgen im Finale, das dann eine klare Angelegenheit sein sollte. Den Bundestrainerjob soll Peter Neururer machen, Wolfgang Wolf, Bernd Schuster, Hans Meyer, Jürgen Klopp, Gernot Rohr, Jürgen Klinsmann, Thomas Schaaf. Aber um Gottes willen nicht Otto Rehhagel.

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