leid in monrovia: Verrat an Liberias Volk
Es reicht. Seit Wochen grübelt die Weltgemeinschaft, ob und wie in Liberia militärisch eingegriffen werden sollte. Währenddessen sterben Liberianer an Artilleriebeschuss, Hunger und Krankheiten – in einem Krieg, den die internationale Gemeinschaft gewollt hat und für dessen Beendigung die Planspiele schon längst auf dem Tisch liegen. Wer jetzt nicht eingreift, um das Morden in Monrovia zu beenden, macht sich mitschuldig am Untergang eines Landes und am Tod Tausender von Menschen.
Kommentarvon DOMINIC JOHNSON
Als Liberias Rebellen vor vier Jahren den Kampf gegen das Regime von Präsident Charles Taylor aufnahmen, genossen sie die zumindest passive Unterstützung der in Afrika aktiven Großmächte. Die USA, Großbritannien und später auch Frankreich hielten Taylor für einen Feind. Seine Schwächung galt als Schlüssel für den Frieden in benachbarten Ländern wie Sierra Leone und Elfenbeinküste. Dass die Rebellen genauso brutal waren wie Taylor, war egal; dass Liberia nach blutigen Kriegen in den 90er-Jahren Frieden gebraucht hätte, auch.
Erst jetzt, während die Rebellen an den Toren Monrovias stehen, merken USA und UNO, dass ihre liberianischen Freunde Kriegsverbrecher sind, die vor Massenmord an der Zivilbevölkerung nicht zurückschrecken. Und erst jetzt, wo die Rebellen fast gesiegt haben, feilen Diplomaten an Friedens- und Interventionsplänen. Das Prinzip ist eigentlich sehr einfach: Eine Friedenstruppe aus Nigeria landet in Monrovias Hafen und Flughafen und ermöglicht die Landung von weiteren Truppen aus den USA und anderen Ländern. Der ungeliebte Taylor fliegt nach Nigeria ins Exil und wird durch eine Interimsregierung aus zivilen Kräften ersetzt, deren Zusammensetzung gerade in Ghana ausgehandelt wird. Die Rebellen strecken die Waffen, denn Taylor ist ja weg.
Dieses Modell zirkuliert seit mehreren Wochen. Aber seine Umsetzung wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher. Denn je stärker die Rebellen werden, desto weniger Gründe haben sie, einen Frieden zu akzeptieren, dessen Bedingungen sie nicht diktieren. Sie können stattdessen Monrovia aushungern, bis es ihnen kampflos in die Hände fällt.
Indem die mehrfach angekündigte Militärintervention nicht stattfindet, setzen sich die Nichtintervenierer dem Verdacht aus, die Rebellen mit Absicht gewähren zu lassen. Das spräche allen Ansprüchen an Afrika Hohn, seine Politik zu verbessern. Und wäre Verrat am liberianischen Volk.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen