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Eine Versicherung gegen die Erderwärmung

Wirtschaftsforscher fordern Klima-Haftpflichtversicherung, damit Steuerzahler von steigenden Lasten befreit werden

BERLIN taz ■ Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW plädiert für eine Zwangsversicherung gegen die Folgen der Erderwärmung. „Bereits heute gibt es durch den Klimawandel eine deutliche Zunahme von Extremwetterereignissen wie Orkane, Dürren, Hochwasser oder Sturmfluten“, sagte Professor Gert Wagner, DIW-Abteilungsleiter, am Donnerstag. Bleibe es beim lückenhaften Versicherungssystem, kämen auf den Staat – und damit den Steuerzahler – größere Finanzlasten zu.

Zum Beispiel das Elbehochwasser 2002: Weil die Geschädigten an Mulde und Elbe nur selten über einen Versicherungsschutz verfügten, musste der Staat mit einem zweistelligen Milliardenbetrag einspringen, um die Schäden zu beheben. „Nach unseren Untersuchungen ist die Summe, die der Staat bei Katastrophen aufbringt, stark vom Medieninteresse abhängig“, erläutert Professor Reimund Schwarze, einer der Autoren der Studie „Wie sich Europa gegen Naturkatastrophen schützen kann“. Berichteten die Medien viel, sei der Betrag höher als wenn es wenige Meldungen gebe, wie etwa beim Elbehochwasser 2006. Dessen Höchststände lagen nur knapp unter dem von 2002.

Um dies zu ändern, fordern die Experten die Klimaversicherung – etwa für Hausbesitzer. Die Auto-Haftpflicht-Versicherung sei die beste Analogie, so Wagner: „Niemand wird in Deutschland gezwungen, ein Auto zu besitzen. Wer aber ein Auto besitzt, wird völlig zu Recht mit einer Haftpflicht belegt.“ Der Vorteil: Das Risiko, etwa für schwere Gesundheitsschäden nach einem Unfall aufkommen zu müssen, wird so breit gestreut, dass der Betrag einerseits gering ausfällt und andererseits dem Geschädigten zeitlebens Zahlungssicherheit garantiert.

In der Realität sind in Deutschland derzeit aber gerade einmal 3,5 Prozent der Immobilien umfassend versichert. Dass es auch anders geht, zeigt die Versicherung gegen Sturmschäden. Weil die in der Regel im Paket mit der Feuerversicherung angeboten wird, ist hier die Abdeckung relativ groß. Ausgestaltet werden soll die Versicherung nach Risikoklassen. „Wer auf dem Berg wohnt, sollte nur 150 Euro zum Schutz gegen Hochwasser und Sturm zahlen müssen. Wer dagegen am Fluss wohnt, sollte das Zehnfache zahlen“, so Reimund Schwarze. In der Schweiz etwa gebe es bereits eine „Klimaschutz-Haftpflicht“ – mit guten Erfahrungen. Zudem erhoffen sich die DIW-Experten durch die Versicherung einen stärkeren politischen Diskurs zur Bekämpfung der Erderwärmung. Wagner: „Die Beitragssätze zur Klima-Haftpflicht wären dann in etwa so auf der politischen Tagesagenda wie derzeit die Beiträge zur Rentenversicherung.“ Und damit die Frage, wie wichtig es ist, Klimaschutz zu betreiben.

Tatsächlich hatten die Finanzminister von Bund und Ländern nach dem Elbehochwasser eine Klimaschutz-Versicherung bis 2003 diskutiert, aber nie zum Abschluss gebracht. „Wichtig wäre, dass die Versicherungen erst einmal private Lösungen anbieten“, so Forscher Wagner. Angesichts des Problemdrucks käme die Klima-Haftpflicht ohnehin irgendwann. NICK REIMER

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