: Todesspur bei Kölner Polizei
Ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Kölner Polizei soll die Umstände bei Einsätzen mit Todesfolge vertuscht haben. Polizeipräsident Steffenhagen löst die ganze Einheit auf und ordnet Ermittlungen an
Von Pascal Beucker und Frank Überall
Schon wieder ein Skandal bei der Kölner Polizei: Gestern Morgen wurden die Wohnungen und Büros von sieben Beamten eines Sondereinsatzkommandos (SEK) durchsucht. Die Beamten, von denen einer gestanden habe, dürften ihren Dienst nicht mehr ausüben und die Diensträume nicht mehr betreten. Ihnen seien Ausrüstungsgegenstände und Dienstausweise abgenommen worden, teilten die Spitzen von Kölner Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Die gesamte SEK-Einheit wurde aufgelöst.
Die Anschuldigungen hören sich an wie aus einem schlechten Krimi. Den Beamten werden nach dreiwöchiger Ermittlung insgesamt sechs Straftatbestände aus den vergangenen Jahren vorgeworfen, darunter fahrlässige Tötung, Körperverletzung im Amt, Diebstahl, Betrug und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Im Mittelpunkt des Interesses stehen vor allem zwei Einsätze, die tödlich endeten. Zum einen starb ein SEK-Beamter bei einer Übung in Köln, zum anderen ein Verdächtiger bei einem Einsatz vor vier Jahren in Hennef.
Bei der Aufarbeitung dieser Fälle sei möglicherweise der tatsächliche Ablauf vertuscht worden. „Von der Staatsanwaltschaft wird auch geprüft, ob Vorgesetzte davon Kenntnis hatten“, sagte Polizeipräsident Klaus Steffenhagen. Auch sollen die Polizisten im Dienst Haschisch-Plätzchen konsumiert und Drogen in Autoreifen befördert haben.
„Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass sich Polizeibeamte außerhalb des Gesetzes stellen“, betonte Steffenhagen. Ein Lichtblick sei, dass die entscheidenden Hinweise aus „den Reihen der Polizei“ gekommen seien. „Das zeugt von einer offenen Fehlerkultur und einem veränderten Bewusstsein: Fehlverhalten wird thematisiert.“
„Es geht um einige wenige Vorfälle, die intensiv geprüft worden sind“, erläuterte der Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft, Jürgen Kapischke. „Aber vor ganz kurzer Zeit haben wir neue Hinweise bekommen, die uns veranlasst haben, das nochmals zu überprüfen.“ In der Vergangenheit hatten sämtliche Anschuldigungen gegen das SEK nicht zu Konsequenzen geführt.
Nur einen Tag vor Bekanntgabe des neuen hatte ein anderer Polizeiskandal sein juristisches Ende gefunden: Das Landgericht teilte mit, dass der Bundesgerichtshof die Revision von sechs Kölner Polizisten verworfen hat. Damit sind die Urteile gegen sie wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung im Amt mit Todesfolge jetzt rechtskräftig.
Die nunmehr ehemaligen Beamten waren vor einem Jahr vom Kölner Landgericht zu Bewährungsstrafen zwischen 12 und 16 Monaten verurteilt worden, weil sie im Mai 2002 auf der Polizeiwache „Eigelstein“ den an Armen und Beinen gefesselten Stephan Neisius schwer misshandelt hatten. Zwei Wochen später verstarb das Opfer. Wie der Vorsitzende Richter Bruno Terhorst in seiner Urteilsbegründung seinerzeit ausführte, hätten die Misshandlungen zwar „nicht unmittelbar zum Tode geführt“, seien jedoch mitverantwortlich dafür gewesen, dass der 31-Jährige ins Koma fiel, aus dem er nicht mehr erwachte. Die Polizisten hätten wissen müssen, dass „Tritte und Schläge gegen den Kopf eines Menschen den Tod nach sich ziehen können“.
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