2 Billionen Dollar lockermachen

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat das neue, stark regulierende Hilfspaket vorgestellt. Trotzdem brachen weltweit die Kurse an den Börsen ein. Außerdem will Obama die Privatwirtschaft stärker in die Pläne zur Rettung des amerikanischen Finanzsystems einspannen

BERLIN taz ■ Die Vorstellung des gigantischen Bankenrettungsplans der neuen US-Regierung hat genau das ausgelöst, was sie eigentlich verhindern sollte: eine neue große Verunsicherung. Und diesmal spekulieren Börsianer und Ökonomen nicht mehr nur darüber, wie schlimm die Krise noch werden kann, wenn nun schon in Billionen gerechnet wird. Sie rätseln auch, welche Ziele die Obama-Regierung denn genau verfolgt. Bislang waren sie davon ausgegangen, dass der Staat die Zügel nun straff in die Hand nimmt. Das tut er auch, indem er rigide Regeln für die Finanzwirtschaft und vor allem für Hilfeempfänger aufstellt. Zugleich will er aber die Privatwirtschaft mit auf den Bock holen.

Entsprechend reagierten die Märkte. Schon während Finanzminister Timothy Geithner den Plan am Dienstag vorstellte, war der US-Leitindex Dow Jones um 4,5 Prozent gefallen und hatte die europäischen Indizes mitgezogen, die zwischen 2,2 und 3,6 Prozent verloren. Am Mittwoch sank der Hang Seng Index in Hongkong um 2,46 Prozent, in Europa sahen vor allem die Bankenwerte weiterhin schlecht aus.

Bei dem so hoch gehandelten neuen Plan geht es in erster Linie darum, festzulegen, wie die zweite Hälfte des noch von der Bush-Administration aufgelegten ersten Bankenrettungspakets verwendet wird. Rund 350 Milliarden US-Dollar stehen davon noch zur Verfügung. Die will die Regierung nun so einsetzen, dass sie die größtmögliche Hebelwirkung erzielen. Insgesamt hofft Geithner, 2 Billionen US-Dollar mobilisieren zu können. Das Geld soll also keineswegs ausschließlich vom Staat kommen, der Finanzminister hofft auf rege Beteiligung privater Investoren.

Kernstück der neuen Öffentlich-Privaten Partnerschaft soll statt der zuletzt erwarteten staatlichen „Bad Bank“ ein mindestens 500 Milliarden schwerer Fonds werden, der auf bis zu 1 Billion Dollar ausgeweitet werden kann. Mit einer Anfangsausstattung von 100 Milliarden Dollar will der Staat dafür Hedgefonds oder Private-Equity-Unternehmen gewinnen. Der Fonds soll den Banken toxische Wertpapiere abkaufen, die sich derzeit auf dem freien Markt nicht verkaufen lassen und den Finanzinstituten die Bilanzen verhageln, sodass sie keine Kredite vergeben können. Im Prinzip ist das so, als garantiere der Staat für die Papiere.

Die Frage ist, wie genau der Aufkauf funktionieren soll. Im Financial-Stability-Plan steht dazu nur: Der Fonds „erlaubt privaten Käufern, den Preis für aktuell problembelastete Aktiva zu bestimmen.“ Wie der Wert ermittelt wird, ist aber unklar; ebenso unklar ist, ob der Staat dann tatsächlich für jeden Fantasiepreis bürgen muss. Aber vom erfolgreichen Weiterverkauf der Papiere profitieren vor allem die Investoren.

Daneben soll auch das Kreditprogramm der US-Notenbank Fed für Verbraucher und Unternehmen ausgeweitet werden. Ein erneuter Zuschuss der Regierung über 100 Milliarden Dollar würde es der Fed ermöglichen, 1 Billion Dollar als Darlehen zu vergeben. Noch einmal 100 Milliarden plant Geithner zur Stärkung des Eigenkapitals der Banken ein. Mit weiteren 50 Milliarden sollen Zwangsvollstreckungen abgewendet werden, die durch den rasanten Verfall der Immobilienpreise jetzt akut sind.

Eines hat die neue Regierung gelernt: Der Erfolg der Maßnahmen hängt davon ab, wie frühzeitig sie eingeleitet und wie strikt sie überwacht werden. Alle Finanzinstitute müssen sich deshalb regelmäßig einem Stresstest unterziehen, der misst, wie gut sie auf einen extremen Einbruch des Marktes eingestellt sind. Jede Bank, die staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, muss künftig nicht nur einen verbindlichen Plan zur Mittelverwendung unterschreiben. Sie wird auch verpflichtet, beim Finanzministerium detaillierte monatliche Berichte abzuliefern, die Aufschluss über den Status quo geben und abschätzen, wie sich die eigene Kreditvergabe ohne die staatliche Unterstützung entwickelt hätte. Alle Informationen sollen dann auf der Website FinancialStability.gov für jedermann – und vor allem auch unabhängige Experten – zugänglich ins Netz gestellt werden.

BEATE WILLMS