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strafplanet erde: vor 20 jahren entdeckt – der sinn des lebens von DIETRICH ZUR NEDDEN

Ein garantiert hitzefreier Text. Nicht die kühlste Andeutung auf die „Wüste Deutschland“. (Jetzt müsste mal jemand die Fenster schließen, damit die heiße Luft draußen bleibt … nein, anders:) Wohltemperiert von einer Klimaanlage, die sündhaft viel Energie verschwendet, schlängeln die Zeilen zu einem ernsteren Thema. Neulich war von einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO zu lesen, der sich „Gewalt und Gesundheit“ nennt. 49,1 Prozent aller gewalttätigen Tode im Jahr 2000 waren Selbsttötungen, hieß es da. „Erst auf dem dritten Platz folgen Kriege.“ Bevor jetzt auf Grund dieser Rechnung Pazifisten zu Psychotherapeuten werden, um sich dem wahren Gewaltproblem Nr. 1 zu widmen, gebe ich zu bedenken, dass die bloßen Zahlen für eine fundierte Meinungsbildung nicht auszureichen scheinen: Immerhin sind manche Selbsttötungen mörderische Attentate oder der Schlusspunkt einer Aktion, durch die vorwiegend Männer ihre Ex auslöschen, um sich dann selbst zu richten, wie man früher sagte. Dennoch hatte mich die Meldung stutzig gemacht, wenngleich nicht so dauerhaft, dass ich jenes offizielle Papier ignorierte, welches ein Sterbehilfegesetz in der Schweiz vorbereitet. Darin wird offenbar die umgekehrt pyramidale demografische Entwicklung als Argument für ein letales Eingreifen benutzt.

Diese beiden medial angeeigneten Info-Facts erzeugten einen winzig kleinen Augenblick der Besinnung. Der lang genug war, um mich an Monty Pythons Film „Der Sinn des Lebens“ zu erinnern. Das ist der mit den Fischen im Aquarium. Das ist der mit dem verfressenen Mr. Creosote, der eimerweise das Sternerestaurant vollkotzt und explodiert, als er zuletzt ein „oblatendünnes“ Pfefferminzplätzchen einsaugt. Das ist der, in dem einem das protestantische Sexualverhalten in wenigen Worten präzise erklärt wird, nachdem der katholische, arbeitslos gewordene Familienvater seinen vier bis fünf Dutzend Kindern mitgeteilt hat, er müsse die meisten für medizinische Experimente verkaufen. Mr. Blackitt, ein Protestant im Haus gegenüber, verflucht die verdammten Katholiken. Warum die so viele Kinder haben, fragt seine Frau. Weil die jedes Mal, wenn sie Geschlechtsverkehr haben, Kinder kriegen müssen. Das ist doch wie bei uns, darauf die Frau, wir haben zwei Kinder und wir hatten zweimal Geschlechtsverkehr. Jaha (der Mann wird lauter), aber sie könnten, sooft sie wollten, und er könne gar French Ticklers, Black Mambos oder Crocodile Ribs über seinen John Thomas ziehen. Deswegen sei das die Kirche „for anyone who respects the individual and the individual’s right to decide for him or herself“.

Der Film ist diesen Monat vor 20 Jahren uraufgeführt worden. Anlass genug, ihn zu empfehlen auch denjenigen, die gefährdet sind, in der Statistik der WHO an der Spitzenposition aufzutauchen, als auch denen, die nicht unter den Einfluss eidgenössischer Medizinalethiker geraten möchten. Weil der Film so komisch ist. Und so böse, dass er – laut meiner Videofassung – erst ab 18 zugelassen ist.

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