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Nichtschwimmer ohne Grenzen

Der Italiener Ivan Basso vom dänischen CSC-Team hat sich als der hartnäckigste Konkurrent von Lance Armstrong etabliert. Sein Teamchef Bjarne Riis will aus dem 26-Jährigen in spätestens drei Jahren einen Tour-Champion geformt haben

AUS L’ALPE D’HUEZSEBASTIAN MOLL

In den drei Jahren, in denen der frühere Tour-de-France-Champion Bjarne Riis nun Mannschaftsleiter im Profiradsport ist, hat sich der Däne zu einer Art Guru entwickelt. Die Arbeit seiner Mannschaft beruht auf der selbst gebrauten Philosophie von Riis, die er in einem etwas verquasten Manifest in Worte gefasst und auf der Homepage des Teams der Welt zugänglich gemacht hat. Doch seinen Fahrern scheint es egal zu sein, ob Riis’ Denken ernsthafter intellektueller Prüfung standhält. Sie glauben an ihn. Und darauf, so der Däne, komme es an. „Meine Fahrer vertrauen mir, und ich vertraue meinen Fahrern – das ist die Grundlage von allem, was wir tun.“

Um dieses Vertrauen zu stärken, bedient sich Riis mitunter eigenartiger Rituale. In einem Trainingslager in Lanzarote im Dezember etwa, als er die gesamte Mannschaft mit einem Schiff drei Kilometer aufs offene Meer hinausfahren ließ und sie dann ins Wasser warf. Wie sie das Festland wieder erreichten, war ihr Problem. Eine nicht geringe Schwierigkeit, zumal sie einen Nichtschwimmer dabei hatten: Ivan Basso, der 26 Jahre alte Italiener, der nun, vier Tage vor Ende der Tour, der letzte verbliebene Herausforderer von Lance Armstrong ist.

Furchtbare Angst habe er damals gehabt, erinnert sich der knabenhafte Mann aus Varese, der das Zeug zum Teenieschwarm hat. Doch die Mannschaft hat eine Lösung gefunden, ihn an Land zu bringen. Seither ist Basso furchtlos, wenn er Riis und sein Team um sich herum hat. Vor den letzten Alpenetappen beschreibt er seinen Seelenzustand als „ruhig und ohne Angst“. Im Hinblick auf seine Leistung und auf sein Endergebnis bei dieser Tour, sagt er, sehe er für sich „keine Grenzen“. Und auch das ist eine Lektion seines dänischen Lehrmeisters: „Wenn man fährt, um Zweiter zu werden“, sagt der ehemalige Mannschaftskapitän von Jan Ullrich, „dann wird man auch Zweiter.“

Sich nicht mit weniger zufrieden zu geben als mit dem Sieg, behauptet Ivan Basso, sei schon immer seine Einstellung gewesen. Und in Bjarne Riis, zu dessen Team er im vergangenen Herbst gewechselt ist, habe er einen Bruder im Geist gefunden. Angesichts seiner Profibilanz verblüfft diese Aussage allerdings ein wenig: Gerade einmal fünf Rennen hatte Basso in seiner sechs Jahre währenden Profikarriere gewonnen, bevor er zu Riis kam. Das war so wenig, dass der Sportdirektor seiner vorherigen Mannschaft Fassa Bortolo, Giancarlo Ferretti, ihn mit der Begründung ausmusterte, er wolle nicht mehr „so viel Geld für einen Fahrer ausgeben, der nichts gewinnt“. Lieber investierte Ferretti in den Star seiner Mannschaft, den Sprinter Alessandro Pettacchi.

Dass Basso bislang so wenig gewonnen hat, will er selbst hingegen paradoxerweise ebenfalls als Resultat seiner Siegermentalität verstanden wissen. Basso will alles oder nichts – für halbe Sachen strengt er sich nicht an. „Ich werde Armstrong nicht attackieren, um ihm 15 Sekunden abzunehmen“, beschreibt er etwa seine Taktik für die letzten Tour-Tage. „Wenn ich etwas unternehme, dann muss es mich ganz nach vorne bringen.“ Armstrong selbst, erläutert Basso, habe die Tour 2003 mit einer einzigen, zum richtigen Zeitpunkt gesetzten Attacke gewonnen.

So betrachtet Basso auch seine Karriere. Sein Potenzial, einmal Großes zu leisten, war schon lange zu erkennen. Doch Basso hat, anders als sein früherer Chef, die Geduld, dieses Potenzial reifen zu lassen. So lange, bis es für den ganz großen Coup reicht. 1998 war Basso Weltmeister der Klasse unter 23. In den Jahren 2001 und 2002 gewann er bei der Tour das Trikot für den besten Jungprofi. 2003 wurde er Siebter. Ein stetiger Aufwärtstrend eigentlich, der erkennbar in Richtung Podium führte. Doch der hitzköpfige Ferretti konnte es nicht abwarten.

Dabei hätte er gar nicht mehr lange warten müssen, wie sich in diesen Wochen nun herausstellt. Als er Basso einen Vertrag gab, wollte Riis den Italiener in zwei, drei Jahren zu einem Kandidaten für den Tour-Sieg aufbauen. In diesem Jahr sollte es ein Platz unter den ersten drei werden, und an diesem Plan halten Riis und Basso auch jetzt noch fest. Allerdings soll der Plan auf keinen Fall als Bremse wirken – die Arbeit von Riis und Basso kennt keine Beschränkungen. Und schon gar keine, die man sich selbst auferlegt.

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