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Ein unwürdiger Empfang

Die Landesunterkunft Neumünster hat drei Asylsuchende in eine unbetreute Notunterkunft verlegt, in der auch Obdachlose leben. Der Flüchtlingsbeauftragte findet diese Unterbringung inakzeptabel. Verboten ist sie aber nicht

ACHT QUADRATMETER

Der Flüchtlingsbeauftragte von Schleswig-Holstein hat 2003 Empfehlungen für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern vorgelegt. Demnach benötigt ein in einer Gemeinschaftsunterkunft Untergebrachter mindestens acht Quadratmeter Wohnraum, ferner ein Bett, abschließbare Schränke und ein Radio. Die Küche muss eine Grundausstattung an Utensilien besitzen. Die Unterkunft selbst darf der Empfehlung nach höchstens zwei Kilometer von medizinischen Einrichtungen und Geschäften entfernt sein. UG

VON UTA GENSICHEN

Ali M. (Name geändert) spricht mit gehetzter Stimme. Er will nur noch fort von diesem Ort, einer Notunterkunft rund 40 Kilometer von Hamburg entfernt. „Die Zustände hier sind katastrophal“, sagt der 53-jährige Iraner, der derzeit auf ein gerichtliches Urteil über seinen Aufenthaltsstatus wartet.

Am vergangenen Mittwoch seien er und zwei weitere Männer aus Indien und dem Irak von der schleswig-holsteinischen Landesunterkunft Neumünster nach Langeln verlegt worden. „Im Vergleich hierzu war es in Neumünster wie in einem Palast“, sagt er über seine neue Unterkunft. Der Ort mit rund 500 Einwohnern gehört zum Kreis Pinneberg. Außer einigen verstreuten Höfen gibt es in Langeln nur Äcker und Gewerbegebiete. Die als Gemeinschaftseinrichtung deklarierte Unterbringung ist eine graue Baracke mit zwei Etagen. Daneben verläuft die Bundesstraße 4.

„Die Obdachlosen wollen aus Angst vor dem Ordnungsamt nicht meckern“, sagt Ali M. über die fünf Bewohner der anderen Zimmer. Lieber verschweigen sie, dass die Unterbringung nach Fäkalien stinkt, dass die Toiletten verdreckt sind und im Kühlschrank nur eine geöffnete Packung Kondensmilch und drei tote Silberfischchen lagern. Über den Müll in ihren eigenen Zimmern schweigen die vom Alkohol und Leben auf der Straße gezeichneten Männer natürlich auch.

An seinen ersten Tag in der unbetreuten Notunterkunft kann sich Ali M. gut erinnern. Vom Ordnungsamt Rantzau habe er lediglich zwei Schlüssel, ein Zwei-Bett-Zimmer und frische Bettwäsche bekommen. Teller, Töpfe und Besteck habe er in Langeln allerdings vergeblich gesucht. Einkaufsmöglichkeiten gibt es erst wieder im rund drei Kilometer entfernten Dorfkern. Von der Einrichtung aus lässt sich der allerdings nur zu Fuß erreichen. Ein Bus verkehrt von dort nicht. Ali M. beschwerte sich noch am selben Tag beim zuständigen Sozialamt. Am Donnerstag standen dann Vertreter vom Sozial-, Ordnungs- und Gesundheitsamt vor der Notunterkunft.

Während der gemeinsamen Begegnung fotografierte Ali M. mit seinem Handy die Müllberge in den Zimmern, verkotete Toiletten und die verdreckte Küche. „Auf einmal schlug mir der Mann vom Ordnungsamt auf die Hand und versuchte, mir das Telefon zu entreißen“, erinnert er sich. Zu Verstärkung rief der Amtsvertreter die Polizei. „Das ist nicht wahr“, sagte am Montag der Rantzauer Ordnungsamtsleiter, Rainer Schattauer. „Ich habe ihm lediglich gesagt, dass er die Bilder löschen solle.“ Anstatt dieser Aufforderung nachzukommen, hat Ali M. die Fotos mittlerweile sogar auf Hochglanz entwickeln lassen.

Sie belegen, dass es in der Notunterkunft für Obdachlose, Aussiedler und Asylbewerber alles andere als wohnlich ist. „Es ist immer so, wie die Leute selbst leben wollen“, sagt Amtsleiter Schattauer. Da sei zum Beispiel ein Asylbewerber aus Ghana, der bereits seit fünf Jahren in Langeln wohne. „In seinem Zimmer liegen immer Geflügelknochen herum“, erzählt Schattauer. Es gebe aber auch einen Deutschen, der wie im Schweinestall lebe. Eine Beschwerde vonseiten der Bewohner habe er bislang noch nicht bekommen. Die Kritik an den fehlenden Kochutensilien verstehe Schattauer nicht. Das den Bewohnern zustehende Kontingent an Tellern und Töpfen befinde sich nicht in der Küche, sondern im Amt selbst. „Man muss nur bei uns nachfragen“, sagt der Ordnungsamtsleiter.

Als Träger des Hauses erhebt das Ordnungsamt Rantzau pro Person und Monat eine Gebühr von 220 Euro. Damit, so geht aus der Satzung des Amtes hervor, würden Unkosten in der Unterhaltung, Ausstattung und Bewirtschaftung beglichen.

Für den Flüchtlingsbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, Torsten Döhring, ist diese Form der Unterbringung inakzeptabel. „Es gibt aber keine Rechtsgrundlage, die das verbietet“, sagt er. Aus Sicht seiner Behörde ist die Verteilung von Asylsuchenden in Obdachlosenheime jedoch nicht vertretbar. „Wir haben diese Praxis in der Vergangenheit bereits des öfteren kritisiert.“

Bereits vor sechs Jahren hatte seine Dienststelle als Empfehlungen für die Kreise Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen entwickelt. „Ein selbst verwaltetes Leben der Betroffenen muss gewährleistet sein“, sagt Döhring. An einem isolierten Ort, abgeschnitten vom Nahverkehr und ohne Kontakte zur Bevölkerung könne das aber niemand lernen.

Das Gesundheitsamt Kreis Pinneberg erarbeitet nach der Begehung am Donnerstag eine Empfehlung für das Ordnungsamt Rantzau. Diese sieht unter anderem vor, die Teppiche zu entfernen sowie einen Reinigungsplan aufzustellen. „Aber am Ende ist es Sache des Amtes“, sagt ein Sprecher des Kreises.

Ali M. will nicht auf das Empfehlungsschreiben warten. Am Montag hat seine Anwältin einen Eilantrag beim Schleswiger Verwaltungsgericht gestellt, um die Zuweisung des Kreises Pinneberg auf die Notunterkunft Langeln aufzuheben.

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