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iraks nachbarnEin wenig Unruhe ist erwünscht

Durch die irakische Tür wollte die US-Regierung die gesamte Region Nahost neu ordnen. Kein Wunder also, dass die Nachbarstaaten des Irak da auch ein Wörtchen mitreden wollen. Mit ihren Geheimdiensten und möglicherweise in einigen Fällen auch durch von ihnen gesponserte Dschihad-Krieger versuchen sie, im Irak gehörig mitzumischen.

KOMMENTAR VON KARIM EL-GAWHARY

Die Türkei will einen Kurdenstaat verhindern. Der Iran und Syrien wollen sicherstellen, dass das amerikanische Experiment im Irak scheitern wird, wohl wissend, dass sie im Falle eines amerikanischen Erfolgs durchaus als Nächste auf der US-Abschussliste stehen könnten. Saudi-Arabien hat seine heiligen Krieger im eigenen Land nicht unter Kontrolle und drückt gern ein Auge zu, wenn die zunächst einmal im Irak gegen die „amerikanischen Kreuzzügler und Ungläubigen“ zu Felde ziehen: immer noch besser, als zu Hause Wohnanlagen für Ausländer anzugreifen.

Den meisten Irak-Anrainerstaaten ist ein wenig Unruhe im Irak also durchaus von Nutzen. Aber für alle gibt es dabei auch eine eigene Schmerzgrenze. Die ist dann erreicht, wenn das Chaos in ihrem Nachbarland derart überhand nimmt, dass es zu ihnen herüberschwappt. Daran kann keinem der angrenzenden Staaten gelegen sein. Genau dieser Punkt ist, jenseits freundlicher Absichtserklärungen, der kleinste gemeinsame Nenner, auf dem Iraks Nachbarn und die irakische Regierung bei ihrem Treffen in Kairo aufbauen können. Dabei kann die neue Regierung in Bagdad aber kaum mit aktiver Hilfe rechnen, sondern höchstens damit, dass ihr von den Nachbarn nicht noch mehr Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Eine direkte Unterstützung der noch immer nicht durch Wahlen legitimierten Regierung in Bagdad greift am Ende nur den US-Truppen unter die Arme, sagen sie.

Die nachbarschaftliche Annäherung wird also weiterhin nur mit Samthandschuhen vonstatten gehen. Dabei ist es auch an der irakischen Regierung, zuzugeben, dass das irakische Sicherheitsproblem zum größten Teil ein hausgemachtes ist und dass der ständige Hinweis auf die arabischen Kämpfer, die über die Grenzen eingesickert seien, maßlos übertrieben ist: Unter den 5.700 Festgenommenen, die derzeit im Irak unter dem Titel „feindliche Kämpfer oder Sicherheitsrisiko“ in Haft sitzen, finden sich nach US-Angaben gerade mal 90, die keinen irakischen Ausweis besitzen.

ausland SEITE 10

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