: Schiene rückwärts rund um Zeven
Die Lkw-Maut wird Güterverkehr auf die Schienen verlagern. Für deren Unterhalt aber fehlt oftmals das Geld. Im Landkreis Rotenburg sollen sie jetzt abgebaut werden – obwohl hier ein Bypass zur Hauptstrecke Bremen–Hamburg entstehen könnte
von Armin Simon
Stilllegung. Ulrich Koch ist nicht wohl bei diesem Wort. „Eisenbahnfan“ sei er, sagt der Geschäftsführer der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB), der die Schienenstrecken zwischen Elbe und Weser gehören. Trotzdem will er einen guten Teil seiner Gleise demnächst aufgeben. Der Grund: Die wenigen Güterzüge, die hier noch verkehren, spielen das Geld für den Unterhalt der Strecken nicht ein. Als Erstes wird es noch in diesem Jahr die Stichstrecken Rotenburg-Brockel und Harsefeld-Hollenstedt treffen. Auf der Streichliste an nächster Stelle steht dann die West-Ost-Verbindung Wilstedt-Zeven und Zeven-Tostedt. Das haben das Land Niedersachsen und die betroffenen Landkreise als Eigentümer der EVB beschlossen.
Kritiker wie Uwe Höft halten das für eine fatale Fehlentwicklung. Die Gleise seien zwar nicht mehr im besten Zustand, aber immerhin befahrbar, sagt er. Statt sie stillzulegen, zu entwidmen und dann dem Verfall preiszugeben, sollten sie verstärkt genutzt werden – sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr. Das fordert auch der Verkehrsclub VCD in Rotenburg.
Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen indes winkt ab. Vor Jahren schon hatte sie eine Reaktivierung der Strecken für den Personenverkehr geprüft, Ergebnis: zu wenig Fahrgast-Potenzial, die Haltestellen zu weit außerhalb der Ortschaften und vor allem keine ausreichende Verknüpfung mit dem übrigen Eisenbahnnetz. Damit war die Sache für sie gegessen.
Bahn-Fans wie Höft wollen das nicht akzeptieren. Mit nur zehn Kilometern Neubaustrecke zwischen Tarmstedt und Worpswede, argumentiert er, könnte der Netzschluss nach Westen hergestellt werden. Zwischen Tostedt und Osterholz-Scharmbeck gäbe es dann eine vollwertige Ost-West-Verbindung mit Anschluss nach Hamburg und Bremen – ein Bypass zur Hauptstrecke über Rotenburg. Die Lkw-Maut werde mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern, sagt Höft. Da dürfe man nicht bestehende Kapazitäten noch stilllegen.
„Oste-Wümme-Bahn“ hat der Marketing-Prof und Hobby-Planer seinen Vorschlag nach den beiden Flüssen an Start und Ziel getauft. „Durchaus interessant“ findet EVB-Geschäftsführer Koch die Idee. Schließlich wäre die neue Verbindung nicht nur für Pendler attraktiv. Güterzügen zwischen Bremen und Hamburg stünde damit eine – im Vergleich zur Route über Rotenburg billigere – Ausweichstrecke zur Verfügung.
Gute fünf Millionen Euro würde der Lückenschluss kosten, schätzt Koch, jährlich kämen ein bis zwei Millionen für den Unterhalt des 80 Kilometer langen Schienenstrangs dazu. Finanzieren ließe sich das nur, wenn auf den Gleisen auch regelmäßig Personenzüge verkehrten – die jedoch das Land bestellen und bezahlen müsste. Koch: „Das ist eine politische Entscheidung.“
Die tendiert derzeit noch in Richtung Straße. Weil das Geld knapp wird, haben die EVB-Eigner nämlich nicht nur die Aufgabe der Gleise zwischen Tostedt und Wilstedt beschlossen, sondern darüber hinaus auch sämtliche Investitionen in die anderen EVB-Schienenstrecken gestoppt. „Über kurz oder lang“, gibt Koch zu, „stehen damit auch diese Strecken zur Disposition“. An eine „Oste-Wümme-Bahn“ wagt der EVB-Chef daher „nicht zu denken“. Koch resigniert: „Da wird eher noch ’ne neue Autobahn gebaut.“
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