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„Kurdisch aussehender Dealer“

Wie absurd darf die Polizei Kontrollen und unerwünschte Hausbesuche in Vereinsräumen begründen – und dann behaupten, das Polizeigesetz decke solche Maßnahmen? Zwei Ausländer-Vereine sollen vor Gericht Klarheit bekommen

Bremen taz ■ Was darf die Polizei unter dem Vorwand der „Prävention“ alles tun? Dass diese Frage grundsätzlich geklärt werden muss, bestätigt der Sprecher des Bremer Oberverwaltungsgerichts, Hans Alexy. Dort wird demnächst ein Fall verhandelt, in dem es unter anderem darum geht, ob das Bremer Polizeigesetz das „ziel- und zweckgerichtete Aufsuchen von Vereinsräumen“ deckt – nur weil die Besucher des Lokals „südländisch aussehen“. Hintergrund ist die Polizeirechtsreform, die weit reichende Eingriffe ohne richterlichen Beschluss als präventive Maßnahmen zulässt.

Doch was genau dieses „präventiv“ bedeutet, das wüssten auch die Vertreter eines kurdischen und eines islamischen Vereins gerne. Deren öffentliche Räume wurden im Jahr 2000 wiederholt von Polizisten in Zivil aufgesucht. Dabei kontrollierten die Beamten auch – gegen den erklärten Willen von Vereinsvertretern – die Personalien Anwesender. Der Verein setzt sich nun gegen solche Eingriffe zur Wehr, denn dort mag niemand glauben, dass die Polizisten zur „Kontaktpflege“ kamen– wie es später im Polizeibericht stand.

Aus Sicht des Vereins-Anwaltes Sven Sommerfeldt ist auch die vorgebliche Suche nach einem „südländisch aussehenden“ Dealer kein guter Grund zur Inspektion der Neustädter Vereins-Teestube in der Westerstraße gewesen. Die Polizisten könnten kaum geltend machen, dass sie wegen „Gefahr im Verzug“ unmittelbar und ohne staatsanwaltlichen Auftrag dort nachforschen sollten. Denn der „mutmaßliche Dealer mit kurdischem Aussehen“, der laut Polizeibericht in Richtung des Vereinslokals gelaufen war, war den Ermittlern schon Tage zuvor entkommen. Bei strafrechtlichen Ermittlungen hätte zudem ein Durchsuchungsbefehl vorliegen müssen. Auch ein „präventives“ Eingreifen sei nicht zu rechtfertigen, sagt Sommerfeldt, da es keinen konkreten Anlass gegeben habe, der eine „Gefahrenabwehr“ erfordert hätte. Doch alle Beschwerden der Vereine bei der Bremer Staatsanwaltschaft und dem Verwaltungsgericht blieben bisher erfolglos. Immer hieß es, die Polizei habe die Räume der Vereine wohl betreten dürfen, sie seien doch öffentlich. Auch habe es sich nicht um eine echte Durchsuchung gehandelt.

Dagegen hat jetzt das Oberverwaltungsgericht festgestellt: „Es bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ des Verwaltungsgerichts. Die Polizei habe ihr Eingreifen tatsächlich widersprüchlich begründet, den Schwerpunkt aber auf die Strafverfolgung eines mutmaßlichen Drogendealers im Milieu der inzwischen verbotenen PKK gelegt. Dafür biete das Polizeigesetz jedoch keine Ermächtigungsgrundlage. Darüber hinaus sehen die Oberverwaltungsrichter grundsätzliche Bedeutung, da sich noch kein Verwaltungsgericht mit der Thematik beschäftigt hätte.

Tatsächlich hatte die Polizei in früheren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass dank ihrer Ermittlungen auf dem Vereinsgelände zwar nicht der verdächtige Dealer, wohl aber Personen gestellt wurden, die gegen das Ausländerrecht verstoßen hatten. Auch wurde ein gestohlenes Handy sicher gestellt. Anwalt Sommerfeldt: „Wer die Kundschaft eines beliebigen Kaufhauses in der Bremer City durchsucht, wird bestimmt auch den einen oder anderen Verstoß aufdecken.“ Es sei jedoch aus gutem Grund nicht erlaubt, die Besucher von Kaufhäusern ohne rechtlich haltbaren Grund zu durchsuchen. Ihm gehe es also darum, die Rechtmäßigkeit des Polizeihandelns überprüfen zu lassen.

Eva Rhode

Das Oberverwaltungsgericht verhandelt dazu am 2. September ab 9 Uhr. Ort: Osterdeich 17

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