: Erhöhtes Sicherheitsrisiko Atom
WISE-Studie: Gefahr von Terroranschlägen auf Atommülltransporte gestiegen. Grüne fordern, nach der Sellafielder auch die Atomanlage in La Hague stillzulegen
FRANKFURT/M. taz ■ Zwei Jahre nach den Terroranschlägen in New York und Washington hat sich die Sicherheitslage der europäischen Plutoniumindustrie offenbar dramatisch verschärft: Atom- und Plutoniumtransporte seien derzeit ein „untragbares Risiko für den Schutz und die Sicherheit in Europa und der ganzen Welt“, heißt es in einer Studie des französischen Umweltinstituts WISE zu den Gefahren der europäischen Plutoniumindustrie nach dem 11. September 2001. WISE hatte die Untersuchung im Auftrag der Grünen im Europaparlament vorgenommen. Deren umweltpolitische Sprecherin, Hiltrud Breyer, stellte die Ergebnisse gestern in Frankfurt gemeinsam mit der Atomexpertin der Grünen im hessischen Landtag, Ursula Hammann, vor.
Nach der vor wenigen Tagen angekündigten Stilllegung der britischen Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) für abgebrannte Brennelemente in Sellafield müsse auch Frankreich rasch einen Termin festlegen, bis zu dem die WAA und die Fabrik zur Herstellung von Mischoxidbrennelementen (MOX) in La Hague endgültig vom Netz genommen werden sollen, sagte Breyer. Die gleiche Forderung gehe an Belgien, dessen kleine WAA in Dassel ebenfalls geschlossen werden müsse. Nur so könne der Plutoniumkreislauf in Europa „tatsächlich aufgebrochen“ werden.
Ein weiteres Problem bildet der Studie zufolge die zuletzt praktizierte MOX-Strategie, die die Menge von abgetrenntem Atommaterial in der Zwischenlagerung bis zur Verarbeitung deutlich erhöhe. Alleine in Frankreich lagerten rund 80 Tonnen Plutonium aus eigenen und aus fremden Beständen. Das ausländische Plutonium dort stammt aus Deutschland und anderen europäischen Ländern, aber auch aus Japan und Australien. Die meisten dieser Länder, so WISE, hätten die Rücknahme ihres Plutoniums aufgeschoben, weil es bislang nirgendwo ein Endlager gebe. Und ausstiegswillige Länder wie Deutschland wollten ohnehin keine MOX-Brennelemente aus Plutonium und Uran mehr.
Eine Alternative zu den riskanten Atomtransporten wären Zwischenlager bei den Atomkraftwerken, die die abgebrannten Brennstäbe direkt aufnehmen könnten, sagte Hammann. Damit würde der Plutoniumkreislauf durchbrochen. Die deutschen Plutoniumkontingente, die schon in Frankreich sind, sollten vorläufig auch dort bleiben: eingeschweißt in Glas oder Keramik. Und so lange, bis ein Standort für ein deutsches Endlager gefunden ist. Denn dann, so Hammann weiter, müsse „das fürchterliche Zeug“ natürlich wieder zurückgenommen werden. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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