der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR:
… ist so weit noch nicht gekommen. Auch wenn die Medien in der Folge der aktuellen Hamburger Affäre gern mit dem Ende der Homophobie prahlen, beweisen sie dabei doch nur zu oft das Gegenteil. Da wollte eine rechte Socke vor aller Welt eine hanseatische Blondine mit Homosexuellem erpressen, und schon geriet die schmutzige Fantasie außer Kontrolle. Dem Spiegel fiel umgehend Papandreous „Busenwunder Milli“ ein und ein britischer Abgeordneter in Damenstrümpfen, die legendäre Triole im Kohl’schen Kanzleramt, Bills Schwanz im Gesicht von Monica und schließlich ein Sodomit im engeren Feindeskreis von Franz Josef Strauß. Was für ein Panoptikum! Und alles nur, weil einer ganz laut das Wörtchen „homosexuell“ buchstabierte. Da hört der schlichte Hetero nur noch „sexuell“, und ab geht die Luzie! Homosexuelle sind für den Heterosexuellen nicht zu denken ohne untenrum, so als sei der schwule Körper nichts weiter als ein riesiger Schwanz – mit ein paar kolorierten Strähnchen oben drauf.
Zugegeben, die Schwulen sind häufig selbst schuld an dieser minimalistischen Kenntnisnahme. Denn Feiglinge sind sie allzu oft. Wie Ole von Beust. Statt spätestens jetzt nach der Schill’schen Anmache mal kurz klarzustellen: „Natürlich bin ich schwul, aber …“, eiert er weiter rum und tut das, was so viele Schwule tun in dieser Situation: Beust redet vom Privatleben und davon, dass das doch niemanden was angehe. „Die Sexualität ist doch eindeutig Teil des Privaten“, sagte er dazu dem Stern. Und – schwupp! – schon schnappt die Falle zu. Mensch, Herr von Beust, wir wollen wirklich nicht wissen, was Sie in Ihrem Bett machen, das geht uns tatsächlich nichts an. Aber die Tatsache Ihrer – formulieren wir es mal so – Nicht-Heterosexualität umfasst doch locker noch ein paar Angelegenheiten mehr. Bild beispielsweise attestierte homosexuellen Politikern „ein besonderes Interesse für soziale und kulturelle Themen“. Na sehen Sie, geht doch! Auch wenn das nur die halbe Wahrheit ist und dahinter schon das nächste Klischee lauert. Selbst der durchgeknallte Franz Josef Wagner hat hin und wieder einen lichten Moment. „Es ist ein Akt des Sehens“, schrieb er in seiner Bild-Kolumne an die „Lieben Homosexuellen“: „Wenn Bundespräsident Rau mit seiner Gattin auftritt, dann ist unser Sehen unschuldig – bei Wowi lasterhaft, geheimnisvoll, verschleiert. Was für ein Quatsch!“
Schwule haben Angst vor ein paar klärenden Worten: In der Familie, bei den Nachbarn, der Erbtante. Angst, vor die Tür gesetzt zu werden, angestarrt zu werden wie ein Mondkalb oder betüttelt zu werden wie einer, dem nur die richtige Frau noch nicht begegnet ist. Und Schwule haben oft Angst davor, dass ihr Leben eine Bahn einschlägt, die ihren Wünschen näher liegt, als sie es je aushalten könnten. Ein Prominenter, der schon lange öffentlich durch ist als schwul, hat es mal so erzählt: „Die meiste Angst hatte ich vor meiner Großtante, die war immer so stolz auf mich. Und Schiss habe ich davor, dass ich jetzt mit einem Mann leben könnte, ohne Tuscheleien und ohne Versteck. Schließlich weiß ich doch gar nicht, wie das geht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen