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„Repression unterbindet nicht Konsum“

Georg Wurth vom Hanfverband setzt sich auf der Hanfparade am Samstag für die Legalisierung von Cannabis ein. Im Jahr 2003 habe es eine Rekordzahl von Strafverfahren gegeben. Die Polizei folge bei Kontrollen einem überholten Klischee

INTERVIEW STEFAN KLOTZ

taz: Herr Wurth, welche Ziele verfolgen Sie mit ihrer Präsenz auf der Hanfparade und die Veranstaltung selbst?

Georg Wurth: Die Problematik ist immer dieselbe. Hanf muss in seinen Funktionen als Nutzpflanze, verschreibungsfähiges Medikament und natürlich als Genussmittel legalisiert werden. 2003 erreichte die Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten mit 150.000 Verfahren in Deutschland ein Rekordhoch.

Ist es nicht nur eine ganz bestimmte soziale Gruppe, die sich für die Legalisierung einsetzt? Der faule Schüler, der sich ständig zudröhnen will?

Nein, das stimmt nicht. 3,4 Millionen Menschen in Deutschland kiffen. Das geht vom Jungendlichen bis ins Rentenalter. Gesellschaft und Polizei haben nur ein bestimmtes Klischee vom typischen Kiffer im Kopf. Deshalb werden vorwiegend Jugendliche, Ausländer oder Personen, die in ihrem Äußeren alternativ wirken, von der Polizei kontrolliert. Mag sein, dass Legalisierungsbemühungen mehr von der jüngeren Generation ausgehen, weil diese auch mehr konsumiert.

Würden bei einer Legalisierung nicht alle Dämme brechen? Gerade bei den Jüngeren?

Nein, diese Probleme bestehen ja gerade im Moment. Es gibt Menschen, die viel zu früh in den Konsum einsteigen und zu viel kiffen. Es gibt auch die Extremfälle, die in der Psychiatrie landen. Momentan kann jeder jeden Müll bei jedem kaufen. Die Polizei schöpft gerade mal fünf Prozent dieses Marktes ab.

Die Polizei versucht Handel und Konsum einzuschränken.

Studien haben gezeigt, dass staatliche Repression zur Konsumunterbindung nicht funktioniert. In Ländern, die massiver gegen Kiffer vorgehen, wie die USA, wird mehr gekifft als in Ländern wie den Niederlanden, die liberalere Drogengesetze haben. Auch eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter Schülern hat gezeigt, dass drohende Strafe erst an siebter Stelle als Grund genannt wird, nicht zu kiffen.

Wie wollen Sie die extremen Problemfälle vermeiden?

Der Hanfverband hat zahlreiche konkrete Vorschläge gemacht, wie ein legaler Verkauf mit Besteuerung und Inhaltsbestimmungen für Cannabis aussehen kann. Wir wollen kein neues Fass aufmachen, sondern zeigen, wie man besser damit umgeht.

Der Spiegel warnte jüngst vor der Seuche Cannabis, in Baden-Württemberg wurde ein Fahrverbot für Kiffer diskutiert.

Bereits im vergangenen Herbst ist im Schweizer Parlament nicht über eine Legalisierung abgestimmt worden, nachdem in den Medien berichtet wurde, es sei vermehrt genmanipulierter Hanf mit einem THC-Gehalt von über 20 Prozent im Umlauf. Kompletter Blödsinn. Richtig ist, dass es dieses „Turbo-Gras“ aus Züchtung gibt, die Zahlen des Bundeskriminalamts für das Jahr 2003 verzeichneten keinen stärkeren Verkauf von solchem Cannabis. Dessen Marktanteil ist gering, solange preiswerteres Normalhasch aus Marokko in Deutschland verkauft wird.

Fehlt eine professionelle Drogenaufklärung?

Solche Lächerlichkeiten, wie über das Spritzen von Haschisch zu diskutieren, gehören Gott sei Dank der Vergangenheit an. Die staatlichen Stellen, wie die Bundeszentrale und die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, leisten eigentlich gute Arbeit. Es macht auch Sinn, wenn 95 Prozent der Deutschen gelegentlich Drogen konsumieren, Alkohol und Medikamente mit eingerechnet, Konsum nicht generell zu verteufeln, sondern ein Bewusstsein dafür zu schaffen.

Ist das auch bei den Politikern schon angekommen?

Die Politik versagt. Im Gegensatz zu den staatlichen Fachleuten wie bei der Bundeszentrale sitzen da Leute ohne Sachkenntnis. Daher kommen auch solche Vorschläge von der CDU wie das Führerscheinverbot oder Schulrazzien mit Suchhunden, und das ohne notwendige Verdachtsmomente. Es ist ein Trauerspiel, wenn die CDU ein solches Thema im Sommerloch in gewohnter Repressionslogik ausschlachtet.

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