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Allawi regiert ein bisschen in Bagdad, immerhin

Iraks Interimsregierung hat wenig zu sagen. Sie ist auf einen Erfolg der Nationalkonferenz angewiesen, die am Sonntag beginnen soll

BAGDAD taz ■ Die irakische Nationalkonferenz soll trotz der explosiven Situation in Nadschaf in den kommenden Tagen in Bagdad stattfinden. Ob sie aber wie vorgesehen am Sonntag beginnt, ist weiterhin ungewiss. Aus irakischen Regierungskreisen heißt es, dass man den Auftakt möglicherweise noch einmal um ein oder zwei Tage verschieben werde. Die Konferenz aber noch einmal um einen längeren Zeitraum zu verschieben, diese Blöße will man sich seitens der Regierung keinesfalls geben.

Für die Interimsregierung von Ajad Allawi geht es um nicht weniger als um ihre Glaubwürdigkeit. Zähneknirschend hatte der Vorbereitungsausschuss unter Leitung des kurdischen Politikers Fuad Masum Ende Juli in eine zweiwöchige Verschiebung eingewilligt. Darauf hatten die UNO-Vertreter gedrängt, die den Ausschuss beraten, nachdem es in mehreren Provinzen zu Unstimmigkeiten bei der Auswahl der Konferenzteilnehmer gekommen war.

Die auf zwei Tage angesetzte Konferenz soll die 100 Mitglieder der Nationalversammlung wählen, die als eine Art Parlament bis zur Abhaltung der für Januar 2005 geplanten Wahlen der Interimsregierung auf die Finger schauen soll. Beinahe wichtiger ist freilich, dass sie erstmals seit dem Sturz des Regimes Vertreter von politischen Strömungen und Interessengruppen an einen Tisch bringt, die bislang von den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen waren. Hatten bisher die Parteien, die in dem von der Koalition eingesetzten Regierungsrat vertreten waren, die Geschicke bestimmt, so werden zu der Konferenz auch Repräsentanten erwartet, die den Besatzungsmächten ablehnend gegenüberstanden. In dem ethnisch, religiös und politisch extrem zersplitterten Land ist es indes nicht einfach, eine Kompromissformel zu finden, die möglichst allen gerecht wird. Um dennoch vielen ein Mitspracherecht einzuräumen, hat der Vorbereitungsausschuss die Zahl der Delegierten von 1.000 auf 1.200 erhöht. Insbesondere unter den Stämmen des sunnitischen Kernlandes hat der Ausschuss in den letzten Wochen intensiv für eine Beteiligung geworben.

Da dort außer der sunnitischen Islamischen Partei kaum eine der größeren Parteien des Landes über wesentlichen Rückhalt verfügt, sind die Stammesscheichs weiterhin diejenigen, die über Erfolg oder Misserfolg einer Regierung entscheiden. Dabei hat sich die Liga der Stammesscheichs mittlerweile zu einer der wichtigsten Lobbygruppen entwickelt. Nach dem Skandal um das Gefängnis Abu Ghraib haben ihre Vertreter mit den Amerikanern erfolgreich über die Freilassung von gefangenen Stammesangehörigen verhandelt. Auf der anderen Seite hat sie von Untergrundkämpfern erwirkt, dass diese zumindest einige der verschleppten Geiseln wieder auf freien Fuß gesetzt haben. Trotz der Drohungen von Untergrundkämpfern haben zahlreiche Stammesscheichs ihre Teilnahme an dem Treffen in Bagdad zugesagt. Mit von der Partie ist inzwischen auch die Islamische Partei. Hingegen hält der Rat der sunnitischen Religionsgelehrten weiterhin an seiner ablehnenden Haltung fest. „Wir lehnen jedes Gremium ab, das unter der Besatzung zustande kam“, sagte ein Sprecher in Bagdad. Dem Rat gehören etliche namhafte konservative, aber auch radikale sunnitische Geistliche an, aus deren Umfeld sich ein Teil der islamistischen Militanten in den sunnitischen Gebieten um Falludscha und Ramadi rekrutiert.

Dort hat die Regierung Allawi so gut wie kein Gewicht. Das gilt aber auch für andere Regionen des Landes. In Kurdistan werden sich die beiden großen kurdischen Parteien auch in Zukunft nicht von Bagdad in ihre Regierungsgeschäfte reinreden lassen. Zumal die Vereinigung mit dem Rest des Landes unter der Mehrheit der Kurden äußerst unpopulär ist. Obwohl Allawi und auch Interimspräsident Ghazi al-Jawer nicht müde werden, vom Föderalismus des Landes zu reden, begegnet man beiden in Kurdistan mit erheblichem Misstrauen.

Nicht minder schwierig ist der Stand der Regierung im schiitischen Süden des Landes. Die drei südlichsten Provinzen des Landes haben unlängst angekündigt, einen eigenen Verbund zu gründen. Der stellvertretende Gouverneur von Basra hat gar mit einer Abspaltung ähnlich wie Kurdistan gedroht, sollten Terror und Gewalt in Bagdad wie bisher weitergehen. Faktisch ist Allawi derzeit im Grunde genommen nicht mehr als der Gouverneur von Bagdad.

Zu der Konferenz erwartet wird auch Allawis langjähriger Widersacher Ahmed Chalabi. Wie den anderen bei der bisherigen Postenverteilung leer ausgegangenen Regierungsratsmitgliedern ist ihm sogar ein Sitz in der Nationalversammlung sicher. Ein Sprecher des Innenministeriums hatte erklärt, dass man den bestehenden Haftbefehl gegen den prominenten Politiker nicht anwenden werde.

Obwohl es seit einer Woche zu keinen größeren Bombenattentaten in der Hauptstadt kam, erwarten die Sicherheitsbehörden für die kommenden Tage weitere Anschläge. Um so wichtiger ist für die Regierung das Treffen. Gelingt es, möglichst viele Strömungen in die Nationalversammlung einzubinden, wird dies das Ansehen der Regierung in den anderen Landesteilen stärken. Nur das wird auch den Terror schwächen.

INGA ROGG

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